TV-Bilanz zur Katar-WM: Sinne vernebelt

Es ist der Sonntag des WM-Finales, Freude auf ein großes Fußballspiel: Frankreich gegen Argentinien ab 15 Uhr im Ersten. Reporter dort: Tom Bartels, jener Mann, der uns die Frage, wie nachhaltig ARD und ZDF während der vergangenen vier Wochen nicht nur in Richtung WM-Tore und Ergebnisse, sondern auch in Richtung Menschenrechte geschaut haben, hinten raus ganz ganz schwer macht.

Ein TV-Ärgernis dieser Woche war die „Sportschau Thema“-Ausgabe am Dienstagabend, im Nachgang zum ersten Halbfinalspiel. Es ging um eine vorgezogene Bilanz der WM in Katar. Dabei kam – hört hört – mediale Selbstkritik nicht zu kurz.

Moderator Claus Lufen sprach von der deutschen „Wertepolizei“, die womöglich doch etwas übertrieben habe mit der Kritik am WM-Ausrichterland. Ein Ton, den übrigens auch ZDF-Reporter Béla Réthy im Tagesspiegel-Interview vorab in die Diskussion brachte, mit dem Verweis auf das unaufgeregtere Ausland.

Wie sich die Stimmung mit den 63 Spielen gedreht hat

Was hatten wir ARD und ZDF vor der WM für ihre Katar-kritischen Dokus von Thomas Hitzlsperger und Jochen Breyer gelobt. Und wie hat sich die Stimmung doch mit den 63 bis Sonntag gedreht. Immer weniger zu sehen (und zu lesen) von Boykottaufrufen, Arbeiterrechten und einer „WM der Schande“.

Tom Bartels legte in „Sportschau Thema“ noch einen drauf. Der Reporter habe sich bei früheren Turnieren „schon mal mehr mitgenommen gefühlt vom WM-Gefühl“. Was ihn wirklich überrascht hat, ist, dass die über zwei Millionen Gastarbeiter die WM angenommen, dass diese sich mit ihr identifiziert haben.

Gut, es waren nicht so viele Reporter bei dieser Fußball-WM wie sonst, aber ist das wirklich alles so smooth in Katar? Sollen wir dem Augenzeugen Bartels glauben? Was ist mit der queeren Gemeinde, dem schwulen Katarer Nas Mohamed, der gerade im Tagesspiegel-Interview erzählte, dass sich in Katar nichts geändert habe. Gefühlt ist der ARD-Mann mit dieser Meinung näher bei Franz Beckenbauer, der weit vor der Katar-WM sinngemäß gesagt hat, er habe in dem Wüstenstaat keine „Sklavenarbeiter“ gesehen.

Liebe ARD, liebes ZDF, lasst euch die Sinne nicht vernebeln! Und vielleicht sollten sich dann doch wieder „Weltspiegel“, „auslandsjounal“ & Co. des Themas Katar und Menschenrechte annehmen.

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