Stummfilm-Perlen bei den Ufa-Filmnächten: Starke Frauen, flirrende Stadt
Der Schlager hatte Ohrwurm-Potential, allein dieser flotte Foxtrott und dazu der sich schmissig ins Gehör schmeichelnde Refrain: „Die Susi bläst das Saxophon, / Die Susi hat den richt’gen Ton. / Sie macht ’ne feine Musi, / die Susi – ja die Susi.“
Die Platte mit der im Berlin der Goldenen Zwanziger gefeierten Sängerin Irene Ambrus kam 1928 heraus, vermutlich nahe am Start der Verwechslungskomödie „Saxophon-Susi“. Die hatte am 1. November im Alhambra am Kurfürstendamm 68 Premiere, ein Stummfilm zwar, aber mit garantiert saxophonischer Orchesterbegleitung.
Nelson-Theater am Kurfürstendamm
Dazu muss es gelungen sein, auch das Lied ins Programm zu schmuggeln, erwähnte doch die „B.Z. am Mittag“ in ihrer Kritik den Refrain „eines ad hoc eingestreuten Schlagers ,Susi bläst das Saxophon’“. Solch ein Marketing-Streich lag nahe, stammten doch die Bühnenvorlage des Filmstoffs wie auch die von Rudolf Nelson vertonten Liedzeilen vom Berliner Autor Hans H. Zerlett. Zudem war Irene Ambrus Ensemblemitglied des Nelson-Theaters am Kurfürstendamm 217, Ecke Fasanenstraße.
Willkommen also bei den Ufa-Filmnächten auf der Museumsinsel, die diesmal unter dem Motto „Starke Frauen in der Stadt der Millionen“ stehen. Und die erste dieser Frauen ist eben die Titelheldin von Karel Lamačs Kinospaß „Saxophon-Susi“.
An sich heißt sie Anni von Aspen, Adelstöchterlein mit dem wenig standesgemäßen Berufswunsch Tänzerin, was zur Abschiebung in ein Londoner Pensionat führt. Ihre Freundin Susi, ein Showgirl, begleitet sie zwecks beruflicher Fortbildung, mag das Bühnenleben aber gar nicht, und so verfallen die jungen Damen auf einen Rollentausch mit all seinen komischen Folgen.
Der Film ist ganz auf Anny Ondra als Anni/Susi zugeschnitten – Sie wissen schon, die spätere Frau von Max Schmeling: Im tschechischen Film sehr erfolgreich, gerade dabei, Berlin zu erobern, Inkarnation des schwer angesagten Flapper-Girls.
Also Haare und Röcke kurz, Selbstbewusstsein und Witz groß, Jazz-verliebt und im Falle Anny Ondras mit einem überaus beweglichen Körper begnadet, wie der „Film-Kurier“ rühmte: „Wenn sie geht, hopst sie wie ein kleines Pferdchen. Plötzlich ein Sprung; es federt, nicht nur in den Beinen. Der ganze Körper wird expressiv.“
Für passende Rhythmen war Paul Dessau verantwortlich, Konzertmeister und Komponist im Alhambra, lange vor seiner Zusammenarbeit mit Brecht. Für die Filmnächte dagegen gibt es wie üblich einen neuen Soundtrack, diesmal vom Filmorchestra The Sprockets, ersonnen von Mitglied Frido ter Beek. Klar, ein Saxophonist.
Statt starker Frauen steht am zweiten Ufa-Abend die flirrende Spree-Metropole im Rampenlicht. „Die Stadt der Millionen. Ein Lebensbild Berlins“ ist ein 1925 von Adolf Trotz für die Ufa-Kulturfilmabteilung geschaffener, für Berlin sehr werbewirksamer Bilderbogen, der Walter Ruttmanns berühmten Dokumentarfilm „Berlin – Die Sinfonie der Großstadt“ von 1927 vorweg nimmt.
Auch einige fiktive Ausflüge in die Vergangenheit erlaubt sich der Regisseur, lässt etwa den Alten Fritz auftreten und kommt in einer animierten Szene aus dem Jahr 2000 – Flugtaxis? Na klar! – sogar Fritz Langs „Metropolis“-Fantasie zuvor. Die elektronische Klangmalerei übernimmt DJ Raphaël Marionneau.
Die Filmreihe beschließt Ernst Lubitsch, nun wieder mit starken Frauen. Das ist zunächst Henny Porten in „Kohlhiesels Töchter“ von 1919/20, eine Doppelrolle als kratzbürstige Liesel und hübsche Gretel. Die bayerische Volkstheatervariante von Shakespeares „Der Widerspenstigen Zähmung“ wird begleitet vom Metropolis Orchester mit einer Neukomposition von Florian C. Reithner.
Der zweite Lubitsch-Streich „Ich möchte kein Mann sein“ von 1918, neu vertont vom Ensemble Narrativ, zeigt hingegen Ossi Oswalda in einer Hosenrolle als – Ossi. Die will sich Männern vorbehaltene Vergnügen wie Zigaretten, Alkohol und Poker partout nicht verbieten lassen, besucht im Frack ein Berliner Ballhaus und… Ach, sehen Sie doch selbst.