Sommerhaus, später
Es ist ein pathetischer Titel, den dieser Roman trägt: „Die Überlebenden“. Dabei denkt man sofort an schlimmste Katastrophen, die hier eben jene Überlebende hinter sich haben.
Die Katastrophe der Hauptfiguren in dem Debütroman (Aus dem Schwedischen von Hanna Granz. dtv, München 2021. 304 S., 22 €.) des 1976 geborenen schwedischen Schriftsteller Alex Schulman erscheint zunächst als eine eher mindere: das Aufwachsen in einer dysfunktionalen Familie, die sich erst nach und nach als eine solche herausstellt. Lange wird in ihr der Anschein bürgerlicher Solidität aufrecht erhalten, es gibt auch gute Momente.
Drei Brüder sind es, Pierre, Benjamin und Nils, die Schulman zu Beginn an einen Ort ihrer Kindheit zurückkehren lässt, in ein Holzhaus an einem See, um hier die Asche ihrer Mutter zu zerstreuen.
Schulman erzählt atmosphärisch dicht
Der formale Clou dabei: Schulman erzählt auf der Gegenwartsebene den Tag ihrer Begegnung rückwärts, aus der Perspektive des mittleren der drei, Benjamin. Dazwischen rekapituliert er in längeren Kapiteln auktorial die Geschichte der Familie.
Eine Geschichte, in der Alkohol eine Rolle spielt, psychische Indisponiertheiten bei der Mutter, Grobheiten beim Vater, eine gewisse Vernachlässigung der Jungs, äußerlich, emotional. Ein Stromhäuschen im Wald wird zu einer entscheidenden Wegmarke – für die Brüder.
Und für diesen Roman, den Alex Schulman alles andere als pathetisch, sondern atmosphärisch dicht und präzise erzählt.
Der Abgrund schimmert bei ihm immer hinter dem Idyll der schwedischen Natur, und fast unmerklich versuchen die Brüder, sich gegenseitig eine Stütze zu sein, um, ja: ihr Überleben willen.
Von fern weht einen bisweilen die Erinnerung an Karl Ove Knausgårds ersten Band seines „Min-Kamp“-Zyklus an, „Sterben“. Nur die etwas schockartige Auflösung einer anderen prägenden, rätselhaften Szene mit der Mutter im Zentrum, die hätte es nicht gebraucht in diesem ansonsten mitreißenden, mitunter zärtlichen, mitunter düsteren Familienroman.