„Simpson“-Erfinder Matt Groening wird 70: Der Walt Disney von Springfield
Er ist der Schöpfer der erfolgreichsten Zeichentrickserie der Gegenwart – aber ein guter Zeichner im klassischen Sinne ist er nicht. „Die Simpsons“, eine animierte Satire um eine dysfunktionale US-Familie in der fiktiven Kleinstadt Springfield, hatte vor knapp 35 Jahren ihre Premiere im US-Prime-Time-Fernsehen und wurde ein Welterfolg. An diesem Donnerstag feiert ihr Erfinder Matt Groening seinen 70. Geburtstag.
„Die großen runden Augen und der Überbiss – sie kamen mir lange Zeit sehr primitiv vor“, hat Groening mal selbstkritisch über seinen eigenen Zeichenstil gesagt. Doch davon ließ er sich nicht aufhalten. „Er hat seine künstlerische Limitiertheit zum Stil erklärt und das dann mit subversivem Inhalt gefüllt“, erklärt der Kunsthistoriker Alexander Braun im Gespräch mit dem Tagesspiegel. „In Sachen ‚Simpsons‘ müssen wir uns Matt Groening wie Walt Disney vorstellen.“ Braun ist ein profunder Kenner des „Simpsons“-Kosmos, im März eröffnet in Dortmund eine von ihm kuratierte Ausstellung zum Werk von Matt Groening.
„Ohne ‚Life in Hell‘ würde es keine ‚Simpsons‘ geben.
Kunsthistoriker Alexander Braun
Angefangen hat alles mit einem Comic. Ende der 1970er Jahre schuf Groening die bis 2012 laufende Comicreihe „Life in Hell“, deren Hauptfiguren schlicht gezeichnete Cartoon-Hasen waren, die die Absurditäten des Alltags kommentierten. „Ohne ‚Life in Hell‘ würde es keine ‚Simpsons‘ geben“, sagt Alexander Braun.
Durch diesen Comic entdeckte Hollywood-Produzent James L. Brooks den Zeichner und bestellte 1987 bei ihm kurze Animationsfilme auf deren Grundlage für die damals startende „Tracey Ullman Show“. Doch kurz vor der Show bekam Groening kalte Füße und wollte seine Comic-Protagonisten nicht preisgeben, erzählt Braun: „Also kritzelte er in fünf Minuten die Familie Simpson aufs Papier.“
Seine eigene Familie verewigt
Die Herkunftsgeschichte seiner Figuren hat Groening einmal so beschrieben: „Ich habe im Prinzip meine eigene Familie gezeichnet.“ Sein Vater hieß Homer, seine Mutter Margaret, seine Schwestern Lisa und Maggie. Die rebellische Hauptfigur wollte er erst Matt nennen, entschied sich dann aber für Bart – ein Anagramm für brat, das englische Wort für Flegel.
Die „Simpsons“ haben Groening zu einem der bestverdienenden Entertainer der Welt gemacht. Bei der Produktion der Reihe, die inzwischen auch die am längsten laufende US-Fernsehserie ist, fungiert ihr Erfinder als „kreative Drehscheibe“, wie Kurator Braun es nennt. „Er ist überall dabei, bringt sich überall ein, ist aber weder der eigentliche Drehbuchautor, noch der Zeichner, noch der Regisseur.“ Und er sorge dafür, dass die „Simpsons“ von ihrem Wesen her „krakelig“ blieben.
Der Erfolg der Reihe ist unter anderem auf ihre besondere Mischung aus Familienkomödie, Persiflage des US-Alltags und Gesellschafts-, Medien- und Kapitalismuskritik zurückzuführen. Dazu kommt, dass die gelben Hauptfiguren viele menschliche Schwächen haben, mit denen das Publikum sich identifizieren kann. „Die Charaktere sind echt“, hat Matt Groening mal gesagt.
Nach den „Simpsons“ hat Groening auch die ironische Science-Fiction-Serie „Futurama“ und die überdrehte Fantasy-Reihe „Disenchantment“ geschaffen, die einen ähnlichen Look haben, aber deutlich weniger erfolgreich sind.
Ein Schultrauma mit Folgen
Groening wuchs in einer gleichermaßen christlichen wie liberalen Familie in Portland auf, erzählt Braun. Sein Vater hatte eine Werbeagentur, hat selbst gezeichnet und innovative Kampagnen und Kurzfilme gemacht. „Matt und seine Geschwister durften alles im Fernsehen schauen, was sie wollten, und Comics lesen, bis ihnen die Augen rausfielen.“
Gleichzeitig habe der Junge sehr unter der Schule und ihren Regeln gelitten. „Diese Mischung findet sich auch in den ‚Simpsons‘ wieder: kreativ, verspielt, aber auch unangepasst und rebellisch. Immer in Opposition gegenüber Autoritäten.“
Weitere Inspiration dürfte Groening aus seinem aktuellen Familienalltag ziehen: Er ist seit 2011 zum zweiten Mal verheiratet und hat aus beiden Ehen zusammen neun Kinder.