Fritz Keller muss sich vor dem Sportgericht verantworten
Der schwere Gang vor das Sportgericht wird der letzte große Auftritt von Fritz Keller als DFB-Präsident, die komplizierte Nachfolgesuche zur Feuerprobe für den wankenden Deutschen Fußball-Bund.
Am Freitag muss sich Keller in Frankfurt am Main für seinen folgenschweren Nazi-Vergleich verantworten, am Montag soll seine Rücktrittserklärung folgen. Wer bereit und in der Lage wäre, den DFB dann aus der tiefen Führungskrise zu lotsen, scheint völlig offen – die Übergangslösung mit Rainer Koch und Peter Peters trägt nicht unbedingt zur Beruhigung bei.
„Der Verband braucht einen kompletten Neustart in der Verbandskultur“, sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil der Deutschen Presse-Agentur. „Dazu gehört auch eine gründliche, ehrliche Aufarbeitung dessen, was in den letzten Jahren im DFB alles schief gelaufen ist.“ Eine schnelle Personalentscheidungen, „die von oben durchgedrückt wird“, sei kontraproduktiv, ergänzte der 43-Jährige.
Am Mittwoch deutete unter dem grauen Himmel in der Frankfurter Otto-Fleck-Schneise nur wenig auf die drastischen Entwicklungen vom Vorabend hin. Vor der DFB-Zentrale im Stadtwald machten vereinzelt Fotografen und Kamerateams aktuelle Bilder, Mitarbeiter gingen wie gewohnt durch die gläserne Drehtür.
Der Blick richtete sich schon nach Berlin zum DFB-Pokalfinale am Donnerstag zwischen Borussia Dortmund und RB Leipzig.
Das Sportgericht entscheidet, ob Keller zusätzlich belangt wird
Normalerweise steht am Abend der DFB-Präsident auf dem Siegerpodest ganz nahe am goldenen Pokal und beglückwünscht den Sieger. Dass Keller im Olympiastadion an prominenter Position zu sehen sein wird, war am Mittwochmittag schwer vorstellbar.
Der im September 2019 als großer Erneuerer angetretene 64-Jährige ist im Amt gescheitert – an den lähmenden Querelen im Präsidium und an sich selbst. Am Freitag wird das Sportgericht unter dem Vorsitzenden Hans E. Lorenz entscheiden, ob und wie Keller noch zusätzlich belangt wird.
„Die Weichen für eine Neuaufstellung des DFB“ seien gestellt, hatte der DFB am Dienstagabend mitgeteilt. Mit Generalsekretär Friedrich Curtius wird über eine Vertragsauflösung verhandelt. Koch und Schatzmeister Stephan Osnabrügge werden beim kommenden Bundestag, der auf Anfang 2022 vorgezogen werden soll, nicht mehr zur Wiederwahl antreten.
Das Trio und Keller hatten sich den folgenschweren Streit geliefert, der darin gegipfelt war, dass der DFB-Präsident seinen Vize Koch als „Freisler“ bezeichnet hatte. Ein Vergleich also mit Roland Freisler, dem Vorsitzenden des Volksgerichtshofes im Nationalsozialismus.
Der radikale Umbau war deshalb von etlichen gefordert worden. Bekannte und weniger bekannte Namen für die Zukunft waren in den vergangenen Tagen genannt worden. Rekordnationalspieler Lothar Matthäus hatte Noch-Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge (65) im Zusammenspiel mit Rudi Völler (61) ins Gespräch gebracht. Ein Interesse der beiden im Profifußball angesehenen Ex-Nationalspieler ist aber unwahrscheinlich.
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Ex-Bundestrainer Berti Vogts sagte der „Rheinischen Post“: „Für mich braucht es an der Spitze des Verbandes einen starken Mann – und das kann eigentlich nur Uli Hoeneß (69) sein.“
Auch Weltmeister-Kapitän Philipp Lahm (37), Organisationschef der Münchner EM-Spiele im Sommer und des Heim-Turniers 2024, dürfte schnell wieder genannt werden.
Entfremdung der Basis
Interesse bekundet hatte zuletzt die Anti-Korruptions-Expertin Sylvia Schenk (68). Sie stehe bereit, „mit einem Team von unabhängigen Personen den DFB in ruhiges Fahrwasser zu bringen. Dann kann man einen DFB-Präsidenten wählen“, hatte die langjährige Sportfunktionärin der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ gesagt.
Die Amateursportvertreterin Ute Groth, die 2019 gegen Keller am Ende nicht zur Wahl zugelassen worden war, sagte am Mittwoch der dpa, sie arbeite derzeit mit einem Team an tiefgreifenden Reformvorschlägen. „Es gibt überall fähige Leute, die Erfahrung und Wissen einbringen können“, sagte sie.
Die Entfremdung der Basis, zwischen den Amateuren und Profifußballern, sei „eklatant – da müssen wir aufeinander zugehen“. Weg von der „Kultur der Vorwürfe“ und hin zu „Verständigung“ und „Unterstützung“.
Koch strebt keine Position im Präsidium oder Vorstand an
Koch will diesen Prozess bis zur Neuwahl zum dritten Mal als Interimspräsident begleiten. Ob er seine Funktionärskarriere komplett beendet, ist nach dpa-Informationen offen. Der 62-Jährige strebt aber keine Position im Präsidium oder DFB-Vorstand mehr an.
Koch führt derzeit auch den Bayerischen sowie den Süddeutschen Fußball-Verband und sitzt zudem noch im Exekutivkomitee der Europäischen Fußball-Union, was laut UEFA-Statuten auch nach seinem Abschied als DFB-Vize weiter möglich wäre. Wenn der DFB nicht die Abberufung fordert.
Ein Briefwechsel zwischen Koch und DFL-Geschäftsführer Christian Seifert hatte tiefe Gräben zwischen den beiden Funktionären offenbart, die für den aktuell kaum zu lösenden Konflikt der beiden Lager stehen. Peters ist Stellvertretender Sprecher des Präsidiums der Deutschen Fußball Liga – entsprechend schwer ist vorstellbar, dass er und Koch in den kommenden Monaten harmonisch zusammenarbeiten.
Mindestens konstruktiv muss es aber sein: Unter anderem steht die von DFB-Direktor Oliver Bierhoff vorangetriebene Verpflichtung von Hansi Flick aus Bundestrainer an, Joachim Löw hört nach der EM im Sommer auf.
Koch scheint zudem dem Profilager als DFB-Vertreter in der UEFA bis 2025 schwer vermittelbar – zumal Rummenigge zuletzt ebenfalls wieder in das Entscheidergremium gewählt worden war. Allerdings würde für Koch nicht automatisch ein DFB-Vertreter nachrücken. (dpa)