Sieg im letzten Pflichtspiel des Jahres gegen Köln: Frühe Weihnachten für Hertha BSC

Der Stürmer Mario Gomez hat in seiner Karriere Tor um Tor erzielt. Manchen aber ist er vor allem für ein Tor in Erinnerung geblieben, das er nicht erzielt hat. 2008 war das, im EM-Spiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Österreich, als Gomez den Ball aus gerade mal einem Meter über das leere Tor löffelte.

Sargis Adamyan, dem Mittelstürmer des 1. FC Köln, ist am Samstag, wenn auch aus mindestens 4,38 Metern, ein ähnliches Kunststück gelungen. Linton Maina hatte den Ball von links perfekt in die Mitte gepasst. Oliver Christensen, der Torhüter von Hertha BSC, war bereits überspielt, kein Verteidiger in der Nähe.

Doch Adamyan schickte den Ball mit der Flugkurve einer startenden Rakete über die Latte. Herthas Anhänger im Olympiastadion stöhnten lustvoll auf. Und das nicht zum letzten Mal an diesem Nachmittag.

Hertha hat sich in dieser Saison nicht gerade vom Schicksal gedrückt und geküsst gefühlt. Am Samstag aber konnten sich die Berliner definitiv nicht beschweren. Das Spielglück war ausschließlich auf ihrer Seite, nicht nur bei Adamyans spektakulär vergebener Chance zum 1:1 nach einer guten Viertelstunde. „Das Ding muss rein“, sagte Kölns Trainer Steffen Baumgart, „ist aber nicht reingegangen.“

So fand das wieder einmal zehrende Fußballjahr mit Abstiegskampf im Frühjahr und Abstiegskampf im Herbst für Hertha durch das 2:0 (1:0) gegen Köln doch noch ein versöhnliches Ende. „Hier mit einem positiven Gefühl rauszugehen war extrem wichtig“, sagte Marco Richter, der Torschütze zum Endstand.

Dass die Partie für den Berliner Bundesligisten eine gewisse Bedeutung hatte, das merkten die Spieler schon vor dem Anpfiff – als Kevin-Prince Boateng, Herthas inoffizieller Kapitän, eine flammende Rede hielt, so wie schon vor dem Relegationsrückspiel gegen den Hamburger SV im Mai. „Das war eine geile Ansprache“, erzählte Richter. „Er hat uns richtig Feuer unterm Arsch gemacht.“

Herthas Spieler feiern das 2:0.
Herthas Spieler feiern das 2:0.
© Foto: IMAGO/Contrast

Herthas Anhang feierte den dritten Sieg dieser Saison nach zuvor drei Niederlagen laut und ausgelassen. Torhüter Oliver Christsensen tanzte vor der Kurve, wie er das auch nach der geglückten Relegation gemacht hatte. Das erzählte einiges über die Erleichterung im und um das Team.

Durch den Sieg verabschiedete sich Hertha mit einem guten Gefühl in die lange WM-Pause: Die Mannschaft überwintert auf einem Nichtabstiegsplatz. „Ich bin sehr stolz auf die Jungs, gerade nach dem Nackenschlag in Stuttgart“, sagte Trainer Sandro Schwarz.

Nach der frustrierenden Niederlage unter der Woche waren Wilfried Kanga und Ivan Sunjic in die Startelf zurückgekehrt. Davie Selke und Suat Serdar blieben dafür draußen. Zugleich stellte Schwarz wieder auf ein 4-3-3-System um. „Wir haben uns endlich mal belohnt“, sagte Mittelfeldspieler Jean-Paul Boetius. „Wir haben gekämpft, wir waren eklig heute.“

Trainer Schwarz durfte sich nach nicht mal zehn Minuten in seinen Entscheidungen bestätigt fühlen. Von der linken Seite flankte Marvin Plattenhardt punktgenau in die Mitte, Kanga war mit dem Kopf zur Stelle und brachte die Berliner 1:0 in Führung.

Der Ivorer ging anschließend vor Freude in die Knie. Es war sein zweites Saisontor und erneut ein wichtiges, nachdem er schon den späten Siegtreffer gegen Schalke 04 erzielt hatte.

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Auf diesem Tabellenplatz beendet Hertha BSC das Bundesligajahr.

Kapitän Marvin Plattenhardt musste kurz darauf wegen einer Muskelverletzung ausgewechselt werden; davon abgesehen aber hatte Hertha wenig Grund, mit dem Schicksal zu hadern. Adamyan vergab Mitte der ersten Hälfte eine weitere Großchance für die Gäste aus Köln, als er den Ball im Anschluss an eine Ecke aus zwei Metern nicht an Christensen vorbeibrachte.

Maina wiederum, der gebürtige Berliner auf Seiten des FC, lief allein auf Herthas Tor zu und setzte den Ball um Zentimeter am Pfosten vorbei. Und als Maina in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit tatsächlich traf, stand er meterweit im Abseits, so dass das vermeintliche 1:1 nicht zählte.

Die Defensive der Berliner sah in dieser Phase nicht immer gut aus, Hertha verteidigte zeitweise recht luftig. „Es war ein sehr, sehr wildes Spiel“, sagte Richter. Weil auch die Kölner nach dem Rückstand vor allem den Weg in die Offensive suchten, entwickelte sich für die 60.827 Zuschauer ein überaus unterhaltsames Duell mit viel Tempo und Chancen auf beiden Seiten.

Kanga hatte noch vor der Pause die Gelegenheit, seine bisherige Trefferquote in nur einer Halbzeit zu verdoppeln. Nach einem spektakulären Abwurf von Torhüter Christensen, einem beherzten Sprint und einer präzisen Vorlage von Dodi Lukebakio setzte der Mittelstürmer den Ball ans Außennetz.

Kurz nach der Pause – es wurde langsam dunkel, nur der Himmel im Westen der Arena leuchtete noch blassrosa – schalteten die Zuschauer auf den Rängen die Taschenlampen ihrer Handys ein. Fast schon vorweihnachtlich funkelten die Lichter im letzten Bundesligaspiel vor dem Fest.

Und als Richter im Nachschuss nach nicht mal einer Stunde das 2:0 erzielte und damit zeitig alles klar machte, fühlte sich Herthas Anhang tatsächlich reich beschenkt.

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