Musicalsommer: Die Stadt geht in die Nachspielzeit

Wenn mein geschätzter Kritikerkollege Kai Luehrs-Kaiser dienstags auf RBB Kultur die Sendung „Meine Musik“ moderiert (nachzuhören in der ARD-Audiothek), präsentiert er zum Ende hin immer die „Letzte Lockerung“. Bei dieser erklingen meistens ohrwurmige Musical-Nummern, aktuell gerade vom Komponisten Arthur Schwartz, der 1931 mit „Dancing in the Dark“ berühmt wurde.

Entspannendes Entertainment dominiert auch die hauptstädtische Bühnenlandschaft, nachdem sich die Hochkulturinstitutionen in die sommerliche Spielzeitpause zurückgezogen haben. Wenn die Saison in die Nachspielzeit geht, werden die Musicalanbieter fast zu Monopolisten: Die Neuköllner Oper zeigt noch am Donnerstag und am Freitag „Bis keiner weint“, das Renaissancetheater spielt bis einschließlich Sonntag den Brecht-Weill-Klassiker „Happyend“, inszeniert als wilde Mischung aus Gangsterkomödie, „Bohème sauvage“- Soiree und Sozialdrama. Und im Heimathafen Neukölln wird ab dem 11. August der Mythos Rio Reiser beschworen, als biografisches Ton-Steine-Scherben-Musiktheater.

Hier Happyend, dort blühende Fantasie

Auf verschlossene Türen stößt man dagegen beim Friedrichstadt Palast. Denn dort wird der nächste Coup vorbereitet (Previews ab dem 21. September): Die Macher von „Falling/in love“ versprechen, dass wir auf der größten Showbühne der Welt dann „eine blühende Fantasie“ erleben können. Dufte.

Im emotionalen Dauerbetrieb arbeitet das Theater des Westens, dank der „Romeo und Julia“-Version des Pop-Duos Peter Plate und Ulf Leo Sommer. Wer mit dem größten Liebespaar aller Zeiten mitleiden will, muss allerdings tief in die Tasche greifen: Auch wenn es aktuell „Aktionspreise“ gibt, kostet das Vergnügen immer noch mindestens 65,90 Euro pro Person.

Schon ab 25 Euro kommt man ins Tipi am Kanzleramt, wo bis September nonstop die unkaputtbare Vincent-Paterson-Produktion von „Cabaret“ läuft. Die beschwört, durchaus vielschichtig, das Feeling der blattgoldenen Zwanziger – mit rotierenden Casts: die Rollen der Sally Bowles und des Clifford Bradshaw sind gleich vierfach besetzt.

Bereit für die letzte Lockerung?