Serena Williams will es doch noch einmal wissen

Dass Serena Williams immer noch eine Attraktion im Tennis darstellt, ist in Wimbledon kaum zu übersehen. Die mittlerweile fast 41 Jahre alte US-Amerikanerin ist zwar nur noch die Nummer 1204 der Weltrangliste, genießt aber weiterhin den Status einer absoluten Topspielerin. Was angesichts ihrer 23 Grand-Slam-Titel und allein sieben Siegen in Wimbledon auch keine Überraschung darstellt. In London durfte sie sogar auf dem heiligen Centre Court trainieren, was vorab nur einem erlesenen Kreis von Profis überhaupt gestattet ist.

Und doch hatte Williams gemischte Gefühle, als sie den auch für sie besonderen Rasen vor ein paar Tagen erstmals wieder betreten durfte. „Ich war superglücklich, dass ich diese Möglichkeit haben durfte“, sagte sie auf der Pressekonferenz vor dem Turnier, um dann hinzuzufügen: „Es war auch deswegen gut für mich, um das irgendwie aus meinem System zu bekommen. Weil der letzte Moment, den ich auf dem Centre Court hatte, wahrscheinlich nicht mein bester war.“

Vor einem Jahr musste sie in der ersten Runde verletzt aufgeben, ein Riss im Oberschenkelmuskel ließ seither kein weiteres Einzel-Match auf Topniveau zu. Und deshalb waren Experten und Fans bereits davon überzeugt, dass Williams ihre Karriere beendet hätte. Doch nun tritt sie beim wichtigsten Turnier der Welt doch noch einmal an. „Ich bin nicht zurückgetreten. Ich musste nur körperlich und mental gesund werden“, sagte sie. Und: „Ich wusste einfach nicht, wann und wie ich zurückkommen würde.“

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In der vergangenen Woche gab sie in Eastbourne im Doppel an der Seite der Berlin-Siegerin Ons Jabeur ihr vielbeachtetes Comeback und bestritt zwei Spiele. „Ich bin dahin und hätte nie gedacht, dass ich für ein Einzel bereit sein könnte. Ich wollte nur ein bisschen Doppel spielen und sehen, wie ich mich fühle“, sagte sie und zeigte sich von sich selbst überrascht: „Wahrscheinlich hätte es doch für das Einzel gereicht.“ Ihr erstes nach einem Jahr Turnierpause spielt sie nun am Dienstag im All England Lawn Tennis and Croquet Club gegen die Französin Harmony Tan.

Wimbledon war immer speziell für Serena Williams. Nicht nur wegen ihrer vielen Erfolge, sondern auch, weil die letzten Erfahrungen nicht mehr ausschließlich gute waren. 2021 gab es die Verletzung, davor verlor sie 2018 und 2019 zweimal als Favoritin im Finale. Nach der Niederlage vor drei Jahren meinte sie: „Ich muss irgendwie herausfinden, wie ich so ein Finale gewinne. Und ich muss auch mal ein paar Turniere spielen, ohne mich dabei irgendwie zu verletzen.“

Williams ist erfolgreiche Unternehmerin, der Job macht ihr großen Spaß

Ins Finale schaffte sie es auf der Tour anschließend noch dreimal und machte dabei die für sie beinahe schon obligatorischen Erfahrungen. Nach Wimbledon musste sie 2019 einmal im Endspiel von Toronto verletzt aufgeben und unterlag anschließend im Spiel um den Titel der US Open wie zuvor in Kanada der jungen Bianca Andreescu. 2020 bejubelte sie in Auckland schließlich ihren 73. und bis heute letzten Turniersieg.

Dafür, dass sie bereits seit 1995 offiziell Profi ist, erscheint die Zahl beinahe gering. Aber Williams achtete immer darauf, nicht zu viel zu spielen. „Ich denke, das ist unterbewusst in mir drin. Dass ich auf mich selbst achte und weiß, wie ich das anstellen muss“, sagte sie nun und bezeichnete sich in dieser Hinsicht als Naturtalent. Wahrscheinlich liegt darin auch der Grund dafür, dass sie nun in Wimbledon tatsächlich noch einmal antritt. Auf die Frage nach ihren Chancen für das Turnier blieb sie eine Antwort allerdings schuldig und meinte nur: „Ich habe hohe Ziele, aber andererseits – ich weiß es nicht.“

Williams ist ohnehin längst mehr als eine Tennisspielerin. Ihr Unternehmen Serena Ventures, das Kapital für Gründer zur Verfügung stellt, nimmt sie voll in Anspruch. „Wenn du so eine Firma hast, musst du All-in gehen“, erzählte sie nun in London und machte klar, dass ihr das großen Spaß bringt. Aber: „Das nimmt praktisch all meine freie Zeit in Anspruch. Aber nun bin ich für die kommenden Wochen nicht im Büro. Wenn man mir eine Mail schickt, bekommt man jetzt eine schöne Abwesenheitsnotiz.“

Williams kokettiert gern und so gehört es bei ihr auch dazu, dass sie sich zu den Plänen für ihre Tenniszukunft nicht klar äußert. Wimbledon könnte ihre Abschiedsvorstellung sein, sie könnte aber auch weitermachen. Sie selbst weiß es angeblich derzeit nicht: „Ich kann nur sagen, dass ich jetzt hier bin. Und wer weiß, wo ich als nächstes auftauche.“ Fakt ist: Mit Serena Williams ist Tennis noch ein gutes Stück aufregender, was sie sportlich wirklich drauf hat, bleibt aber bis auf Weiteres abzuwarten.

Ihr Aufschlag zumindest ist immer noch gewaltig und auf Rasen ein wirklicher Paradeschlag. Das war im Training dieser Tage gut zu sehen, sofern sich das aus der Ferne beurteilen ließ. Denn Williams erklärte ihre Einheit auf einem der Courts im Aorangi Park kurzerhand als geheim. Zu viel wollte sie dann doch vorab nicht über ihre Form preisgeben.

So ließ sich zumindest erahnen, was ohnehin jedem Beobachter klar ist: Die Schnellste ist Serena Williams nicht mehr und lässt eine Gegnerin sie derart laufen, wie das Simona Halep 2019 im Finale gelang, kann die große Attraktion von Wimbledon auch ganz schnell ziemlich alt aussehen.