Offener Brief: Documenta-Macher weisen Antisemitismus-Vorwürfe zurück
Nach der Aussetzung einer Gesprächsreihe im Zusammenhang mit den Antisemitismus-Vorwürfen gegen die documenta haben sich die Macher der Weltkunstausstellung in Kassel in einem offenen Brief erstmals zu diesem Schritt geäußert. In dem Schreiben, das in der „Berliner Zeitung“ veröffentlicht wurde, weisen sie die Anschuldigungen erneut zurück.
„Im Rahmen der Documenta fifteen wurden zu keinem Zeitpunkt antisemitische Äußerungen gemacht“, betonen das indonesischen Kuratoren-Kollektiv Ruangrupa, das künstlerische Team der Documenta fifteen und einige der Kuratorinnen und Kuratoren der gescheiterten Gesprächsreihe.
Die Verfasser wenden sich gegen präventive Zensur
„Wir treten diesen Anschuldigungen entschieden entgegen und kritisieren den Versuch, Künstlerinnen und Künstler zu delegitimieren und sie auf Basis ihrer Herkunft und ihren vermuteten politischen Einstellungen präventiv zu zensieren“, erklären die Verfasser in dem Schreiben.
Hintergrund sind die Vorwürfe eines Bündnisses, bei der 15. Ausgabe der Ausstellung seien auch Organisationen eingebunden, die den kulturellen Boykott Israels unterstützten oder antisemitisch seien.
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Ruangrupa und die Documenta wiesen die Vorwürfe entschieden zurück und betonten, sie lehnten Eingriffe in die künstlerische Freiheit ab, wollten aber weiter diskutieren. Dazu kündigten die Organisatoren ein Experten-Forum an, bei dem über „das Grundrecht der Kunstfreiheit angesichts von steigendem Rassismus und Antisemitismus und zunehmender Islamophobie“ debattiert werden sollte.
Nach Kritik des Zentralrats der Juden in Deutschland unter anderem an der Besetzung der Foren wurden die dreiteilige Gesprächsreihe Anfang Mai abgesagt.
Einige Teilnehmer hätten eine Absage erwogen
Es habe in den vergangenen Tagen intensive Diskussionen mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern gegeben, hieß es nun in dem Brief. Einige von ihnen hätten ihre Teilnahme abgesagt oder eine Absage erwogen. „Dabei wurde deutlich, dass die Anschuldigungen, die gegenüber der Documenta fifteen und dem Gesprächsforum geäußert wurden, eine produktive Diskussion gegenwärtig unmöglich machen.“
Im Rückblick erscheine das Forum als „der ehrbare, jedoch vergebliche Versuch, eine richtige Antwort auf eine falsche Frage zu formulieren“, schrieben die Macher der Documenta fifteen. Für die Klageführenden habe die Schuldigkeit der Angeklagten bereits von vornherein festgestanden. Die Angeklagten wiederum hätten die öffentliche Vorverurteilung und die konstruierten Vorwürfe zu Recht skandalisiert.
Die Documenta fifteen läuft im September
Mit dem Forum habe man eine Runde mit Expertinnen und Experten zusammengestellt, die diese Ausgangssituation des Diskurses und deren involvierte Positionen hätte beleuchten und diskutieren können. „Dies ist gescheitert. Das vorläufige Scheitern des Forums ist somit auch ein Scheitern des deutschen Diskurses zu Antisemitismus und Rassismus“, schließen die Verfasser.
Die alle fünf Jahre stattfindende Documenta gilt neben der Biennale in Venedig als wichtigste Präsentation für Gegenwartskunst. Die Documenta fifteen findet in diesem Jahr vom 18. Juni bis zum 25. September statt. dpa