Nun auch olympisches Gold im Tennis: Novak Djokovic ist endgültig der Allergrößte

Irgendwann, als der Jubel von und um Novak Djokovic auf dem Court Philippe-Chatrier langsam abebbte, schwenkte ein Fan noch einmal seine ganz eigene serbische Fahne. „GOAT“ stand über den Nationalfarben rot, blau und weiß. Es ist die in vielen Sportarten inzwischen gebräuchliche Abkürzung für „Greatest Of All Time“. Und im Tennis ist seit Sonntag endgültig klar, wem diese Ehre gebührt.

Djokovic hatte das olympische Finale im Stade Roland Garros mit 7:6 (7:4) und 7:6 (7:2) gegen Carlos Alcaraz für sich entschieden und damit auch den letzten ihm noch fehlenden großen Titel gewonnen. Der Sieg kam – anders als so viele zuvor – durchaus überraschend. Der junge Spanier hatte hier vor knapp zwei Monaten noch bei den French Open triumphiert. Und wenig später auch noch den Sieg in Wimbledon folgen lassen. Im All England Club hatte Alcaraz im Finale noch dominiert und Djokovic genau die 16 Jahre älter aussehen lassen, die beide Tennisstars trennen.

Doch nun hat das Imperium zurückgeschlagen – und was dieser Olympiasieg dem serbischen Nationalhelden bedeutet, war unmittelbar nach dem Matchball zu sehen. Djokovic brach in Tränen aus, ging nach der herzlichen Gratulation seines Widersachers auf dem Center Court in die Knie und konnte es einfach nicht fassen.

Fast wirkte es so, als hätte die Tennislegende selbst nicht mehr so recht daran glaubt, seine Titelsammlung noch komplettieren zu können. Selten hat er sich so über einen Triumph gefreut – kein Wunder für einen Sportler, der in 20 Karrierejahren als Profi immer und immer wieder bewiesen hat, dass er der Beste ist.

2021 stoppte ihn Alexander Zverev auf dem Weg zum Golden Slam

Als einziger Tennisprofi hat er alle Grand-Slam-Turniere dreimal gewonnen, dazu hat er – ebenfalls exklusiv – jedes der neun aktuellen Masters-1000-Events mindestens einmal siegreich beendet. Auch im Davis Cup war er mit Serbien erfolgreich und kein anderer Spieler führte länger die Weltrangliste an als Djokovic. Nur mit der olympischen Goldmedaille wollte es nie klappen. Bis zu diesem Sonntag.

Dreimal scheiterte er bei Olympia im Halbfinale. Mitunter schien es so, als würde er den Spielen nicht die ganze große Bedeutung zuschreiben. Immerhin holte er 2008 einmal Bronze. 13 Jahre später wähnte sich Djokovic auf dem Weg zum Golden Slam, doch in Tokio war ein furios aufspielender Alexander Zverev ein zu großes Hindernis. Wochen später verpasste Djokovic auch den Kalender-Grand-Slam.

All das sind nun Erinnerungen an weniger erfolgreiche Momente für den 37 Jahre alten Serben. Zwar wird er die Chance auf diesen Grand Slam mit Erfolgen bei den Australian Open, Roland Garros, Wimbledon und bei den US Open in einem Kalenderjahr aller Voraussicht nach nicht mehr bekommen, aber das ist ein winziges, fehlendes Puzzleteil.

Und auch, wenn Djokovic nun endgültig der erfolgreichste Tennisspieler in der bisherigen Geschichte dieses Sports ist, wird es immer Rekorde geben, die selbst er nicht brechen kann. 99 Turniersiege stehen mit Olympiagold nun auf seiner Habenseite, der 100. dürfte nicht mehr lange auf sich warten lassen. Ob es aber bis zur Bestmarke von 109, die der US-Amerikaner Jimmy Connors einst aufgestellt hat, noch reicht, ist zumindest fraglich.

99

Turniere hat Djokovic in seiner Karriere gewonnen, nur Jimmy Connors (109) und Roger Federer (103) haben mehr

Wobei Rekorde für einen Spieler wie Novak Djokovic immer wichtig gewesen sind. Konnte er damit doch die längst nicht so große Popularität im Vergleich zu seinen Rivalen Roger Federer und Rafael Nadal zumindest ein bisschen wettmachen. Und anders als der Schweizer und der Spanier hat er nun eben alles abgeräumt. Federer blieb zeitlebens olympisches Einzelgold versagt und Nadal konnte nie die ATP-Finals, die inoffizielle Weltmeisterschaft zum Jahresabschluss, gewinnen.

Noch mehr als diese Tatsache dürften Djokovic die „Nole“-Sprechchöre im olympischen Finale am Sonntag gefreut haben. Längst haben die Tennisfans ihren Frieden mit ihm gemacht, auch – und das gehört ebenfalls zu seiner Biografie – wenn der es diesen nicht immer leichtgemacht hat.

Djokovic wirkte in seiner Karriere oft verbissen, geradezu starrsinnig

Zu oft in seiner einzigartigen Karriere wirkte der Serbe verbissen, ja geradezu starrsinnig und zuweilen sogar über-aggressiv. 2020 wurde er bei den US Open disqualifiziert, weil er eine Linienrichterin im Zuge eines Wutanfalls abgeschossen hatte. Unvergessen ist zudem seine Impfposse im Vorfeld der Australian Open 2022, die zum Politikum wurde.

Inzwischen aber hat Novak Djokovic einen Status erreicht, der all diese Negativschlagzeilen verblassen lässt. Denn sportlich spielte er ab sofort in seiner ganz eigenen Liga. Natürlich ist da noch der eine Titel bei einem Grand-Slam-Turnier, der ihm fehlt, um auch noch diesen Rekord für sich allein zu beanspruchen. Bisher steht er zusammen mit der Australierin Margaret Court bei 24 Major-Titeln. Und niemand sollte jetzt denken, dass er diesen 25. Sieg nicht auch noch unbedingt erringen möchte.

Die Olympischen Spiele von Paris haben ihm gezeigt, dass er mit seinem grenzenlosen Willen alles erreichen kann. Es unterscheidet Große von den Größten und jene wiederum vom Allergrößten. Und diesen Titel darf sich Novak Djokovic jetzt endgültig auf die Fahnen schreiben – ganz so, wie es seine Fans ohnehin schon lange tun.