Nachruf auf den Prinzen der Finsternis : Ozzy Osbourne gab sich immer als Summe aller Gegensätze
Eines Tages in Birmingham im Jahr 1968 klopft einer von Geezer Butlers Brüdern an dessen Zimmertür: „Da ist etwas für dich.“ Geezer geht zur Haustür, öffnet sie und da steht „es“, in Vaters schmutzigem Arbeits-Overall, barfuß, mit einer Schornsteinfeger-Bürste über der Schulter und kahl rasiertem Kopf.
„Ich hielt ihn anfangs für einen Skinhead“, erzählt Butler später, aber Ozzy Osbourne entsprach selten dem, was man über ihn dachte. Dass er eine eigene Verstärkeranlage besitze, erklärt Osbourne seinem zukünftigen Bassisten, sie könnten sofort auftreten. Der Rest ist Musikgeschichte.

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Und was für eine! Man soll über Verstorbene ja keine Gerüchte verbreiten, und schon gar keine böse Nachrede betreiben. Allein, was bedeuten solche Begriffe schon im Universum von Ozzy Osbourne, der jedes üble Gerücht um seine Person nicht nur willkommen hieß, sondern gerne mit noch übleren Aktionen überbot.
Spiele mit dem Feuer
Man stöbere nur einmal in den unzähligen Anekdoten, die über ihn kursieren – wahr oder unwahr. Dass er auf der Bühne einer Fledermaus und einer Taube den Kopf abgebissen hat, ist wohlbekannt. Ebenso wie die vielen Weisen, auf die er sein Publikum erniedrigt hat, indem er es mit eimerweisem Wasser und anderen Flüssigkeiten traktierte – und wie die Fans es liebten.
Einmal soll er fast ein Hotel mit Feuerwerk niedergebrannt haben, ein andermal sein eigenes Haus beim Versuch, sich ein Bacon-Sandwich zuzubereiten. Er soll im Vorübergehen vom Beckenrand aus in einen Hotelpool uriniert haben, in dem gerade Gäste schwammen, und im Drogenrausch fast seine Frau Sharon ermordet haben.

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Während einer Tournee mit Van Halen soll er im Rausch ins falsche Hotelzimmer eingecheckt haben, wo er für 24 Stunden weggetreten war, sodass seine Band, sein Management, seine Familie und bald auch die Polizei von einer Entführung ausgingen und jeden Stein nach ihm umdrehten.
Nicht allzu überraschend, dass selbst seine Band ihn irgendwann feuerte, woraufhin er nur noch tiefer sank, bevor er sich als „Prince of Darkness“ in seiner Solo-Karriere neu erfand.
Stets authentisch
Holt man sich den 19-jährigen Ozzy vor Augen, der 1968 vor Geezer Butlers Tür stand, erscheint keine von Osbournes Eskapaden als bloßer PR-Stunt. Er war vielmehr schon immer die entfesselte Enthemmung selbst, Absage an die Verklärung der Menschheit zu etwas Besserem, das Ende des Selbstbetrugs der Barfuß-im-Herzen-Fraktion.
Ozzy konnte sich erlauben, was für die meisten Stars das sofortige Aus der Karriere bedeutet hätte. Statt seine Ausschweifungen zu verheimlichen, erfand er mit der Serie The Osbournes, von 2002-05 bei MTV ausgestrahlt, das Reality-TV mit, warf seinen gesamten Alltag der Öffentlichkeit im Trash-Fernsehen förmlich zum Fraß vor – und den seiner ganzen Familie gleich mit.
Und das sehr zum Ärger vieler Fans, die im Heavy Metal eine ernsthafte Antithese zum Pop sahen und hier den Ausverkauf einer Ikone witterten. Ozzy indes stellte klar, dass gerade das, was sich am vehementesten gegen den Pop stellt, mit Sicherheit irgendwann selbst Pop wird.

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Und wie es nur ein Popgigant kann, verbrauchte er sich selbst und die eigene Gesundheit vor den Augen eines Millionenpublikums – Peinlichkeit blieb stets ein Fremdwort im Ozzyversum.
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Eine Jugendbewegung, die alle Probleme der Welt vorgeblich durch Liebe lösen wollte, konnte hier auf keinen fruchtbaren Boden treffen – sie musste auf die Birminghamer Teenager wie völliger Selbstbetrug gewirkt haben, die Verdrängung der offensichtlichen Abgründe der Menschheit. Black Sabbath hielten stattdessen den „War Pigs“ den Spiegel vor, zelebrierten mit dem Album „Paranoid“ die Paranoia und zerrten einen Abgrund nach dem anderen ans Tageslicht.

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Nicht nur der Sound war neu – schwer, verzerrt, gravitätisch und bedrohlich –, den sie der Welt da um die Ohren schmetterten. Der ganze Lebensstil kam als Antidot zur Hippie-Kultur daher, stilgerecht serviert auf einem frisch geschmiedeten Metalltablett.