Nach der 0:2-Niederlage gegen Bayern München : Resignation ist bei Hertha BSC keine Lösung
Wer an historische Analogien glaubt – und der Fußball ist voll davon –, der wird als Fan von Hertha BSC aus der aktuellen Situation durchaus Zuversicht ziehen können. Denn als Pal Dardai vor etwas mehr als zwei Jahren zum zweiten Mal als Trainer bei den Berlinern eingesprungen ist, da hat er, wie jetzt, seine ersten beiden Spiele verloren. Und bei der zweiten Niederlage hieß der Gegner, wie jetzt, Bayern München. Den Klassenerhalt in der Fußball-Bundesliga schaffte Hertha am Ende trotzdem.
Bei allen Parallelen gibt es allerdings auch gewaltige Unterschiede. Vor zwei Jahren war Hertha trotz der beiden Auftaktniederlagen für den neuen Trainer immerhin noch Tabellenfünfzehnter; jetzt ist die Mannschaft Letzter. Und während Dardai 2021 vierzehn Spiele für die Rettung blieben, sind es aktuell nur noch vier. Vier Spiele, in denen der Ungar und sein Team sechs Punkte auf den Relegationsrang aufholen müssen.
Das ist ein recht ambitioniertes Unterfangen. Vor allem wenn man sich Herthas bisherige Bilanz im Jahr 2023 anschaut. Acht Punkte hat Hertha in allen bisherigen fünfzehn Spielen geholt; noch einmal acht aus den verbleibenden Begegnungen dürften nicht reichen für den Klassenerhalt, vermutlich nicht einmal für den Sprung auf den Relegationsrang, den derzeit der VfL Bochum belegt.
Mindestens drei ihrer vier Spiele werden die Berliner also gewinnen müssen; und selbst dann sind sie noch auf das Wohlwollen der Konkurrenz angewiesen. Eine Mannschaft, die in dieser Saison noch nie zwei Spiele am Stück gewonnen hat, die mehr als nur einmal gezeigt hat, dass sie extremem Druck nicht unbedingt gewachsen ist, diese Mannschaft also darf sich nun keine Schwächen mehr erlauben. Wer’s glaubt…
So musst du auftreten im Abstiegskampf.
Florian Niederlechner, Stürmer von Hertha BSC
Herthas Situation hat sich mit der 0:2-Niederlage beim FC Bayern am Sonntag weiter verschärft – auch wenn Punkte aus dem Auftritt in München eher nicht eingeplant waren. Rein faktisch sind die Berliner die Verlierer des Wochenendes. Aus dem unteren Tabellendrittel haben alle Teams gepunktet, nur Hoffenheim und Hertha nicht. Und trotzdem hörten sich die Berliner nach dem 0:2 in München nicht wie frustrierte Verlierer an.
„So musst du auftreten im Abstiegskampf“, sagte Florian Niederlechner. Anders als zuletzt gegen Bremen und Schalke verteidigten die Berliner mit großem Eifer und auch dem nötigen Verstand. Erst 20 Minuten vor Schluss knackten die Münchner, für die es immerhin um die Rückeroberung der Tabellenführung ging, das Berliner Bollwerk. Zumindest der erste Teil von Dardais Plan ging auf.
„Der Plan war, 60, 70 Minuten gut verteidigen“, sagte er. „Das hat meine Mannschaft überragend gemacht.“ Eigentlich wollte er danach ein paar schnelle Leute bringen und sich die – mutmaßlich – wachsende Ungeduld der Bayern und die daraus resultierenden Räume zunutze machen. Doch genau am Übergang von Teil eins zu Teil zwei erzielte Serge Gnabry das 1:0 für die Münchner, das die Geschäftsgrundlage entscheidend veränderte.
Positiv war aus Herthas Sicht – trotz der Niederlage – vor allem eine Erkenntnis: Veränderungen und Verbesserungen sind möglich. Denn dass die Mannschaft, die zuletzt selbst gegen Schalke und Bremen ins Taumeln geraten war, ausgerechnet gegen Bayern defensiv stabil wirkte, das hatten ihr die wenigsten zugetraut. Aber Dardai hatte genau darauf im Training sein gesamtes Augenmerk gelegt. Mit Erfolg.
„Pal Dardai macht seit zwei Wochen einen überragenden Job“, sagte Florian Niederlechner. „Er pusht uns, gibt uns Selbstvertrauen.“ Dardai versammelte seine Spieler nach dem Schlusspfiff gleich um sich. „Ich habe ihnen gesagt: Jungs, ich habe heute eine Mannschaft gesehen“, berichtete er im Interview bei Dazn. „Dafür gibt es Lob.“
Hertha muss jetzt in die Offensive gehen
Dardai hat schon bei seinen bisherigen Engagements bei Hertha (2015 und 2021) bewiesen, dass er eine wacklige Mannschaft stabilisieren kann. Aber nie war der Kader der Berliner so wacklig wie diesmal, und nie war die Zeit so knapp. Hinzu kommt, dass Stabilität allein nicht mehr reichen wird. Ab jetzt wird die Mannschaft mit aller Macht auf Sieg spielen müssen, um sich die Option Klassenerhalt bis zum Schluss zu erhalten.
Am Samstag empfangen die Berliner im Olympiastadion den VfB Stuttgart. Die Schwaben sind so etwas wie die Mannschaft der Stunde. Seit fünf Spielen trainiert Sebastian Hoeneß den VfB. Seitdem ist er ungeschlagen, und seitdem hat sich vom letzten Tabellenplatz auf Rang 15 verbessert. Im Grunde sind die Stuttgarter das beste Beispiel dafür, was möglich ist, selbst in kurzer Zeit.
Resignation ist jedenfalls keine Option für Hertha BSC. „Die Chance ist noch da“, sagte Maximilian Mittelstädt. Nach dem Trainingsschwerpunkt Defensive vor dem Auftritt bei den Bayern wird das Augenmerk im Anlauf auf die Partie gegen den VfB ein anderer sein. „Nächste Woche trainieren wir offensiv, und gegen Stuttgart geht’s los“, kündigte Pal Dardai an. Oder es ist sowieso alles vorbei.