Mozart, explosiv: Riccardo Minasi debütiert bei den Berliner Philharmonikern
Riccardo Minasis Einspielung der späten Mozart-Symphonien mit dem Hamburger Ensemble Resonanz wurden als „verblüffend“ und „aufregend“ bejubelt. Jetzt hat der italienische Dirigent am Pult der Berliner Philharmoniker debütiert, mit einem reinen Mozart-Programm aus größtenteils altbekannten Stücken, überraschend anders interpretiert – allerdings „anders“ nicht notwendigerweise im positiven Sinne. Minasi pflegt einen sprunghaften Stil, nahezu raubtierhaft springt er auf einzelne Takte und Phrasen, betont sie übertrieben deutlich.
In der Ouvertüre zu „Così fan tutte“ führt das dazu, dass nicht wirklich klar ist, wo der Dirigent hinwill, auch klappert es noch ganz schön zwischen einzelnen Stimmen. Minasis engagierte, überschäumende Gestik transformiert sich nicht wirklich in ein überzeugendes Klangbild, auch nicht in der Haffner-Symphonie. Der erneute Einsatz des A-Teils nach dem Trio im dritten Satz etwa gleicht eher einer Explosion als Musik, und Mozarts taumelnde Lebensfreude im Presto ist eine brutales, herbes Ereignis, die Töne gleiten nicht, es fehlt an Zauber.
Echte Konzertiertlust
Doch es wird besser, nämlich mit dem selten zu hörenden Concertone C-Dur für zwei Violinen und Orchester, komponiert 1774 in Salzburg, nicht zu verwechseln mit der fünf Jahre später entstandenen Sinfonia concertante. Das Stück ist faszinierendes Zeugnis dafür, wie die Form des barocken Concerto grosso – bei dem eine kleine solistische Gruppe dem Ensemble gegenübersteht – noch in Mozarts Zeit als Echo nachgewirkt hat. Die sehr gesangliche Violine von Noah Bendix-Balgley, Erster Konzertmeister der Philharmoniker, und die dunkler timbrierte Geige von Thomas Timm bekommen noch Gesellschaft von Albrecht Mayers betörender Oboe. Gemeinsam musizieren sie ganz wunderbar, werfen sich in versetzten Einsätzen die Bälle zu – eine echte Konzertierlust, mündend in ein Menuett, für das es kein besseres Wort als „anmutig“ gibt.
Spätestens nach der Pause, bei Mozarts vorletzten Symphonie, ist das Orchester ganz auf Betriebstemperatur. Wegen ihrer gespenstischen chromatischen Färbung lässt einen die g-Moll-Symphonie bis heute nicht wirklich los, zumal wenn sie so forsch, aber aus einem Guss gespielt wird wie hier. Minasis überbordenden Körpereinsatz können die Musiker jetzt endlich gut abfangen und produktiv anverwandeln. Einem zarten Streichergespinst gleicht das auch hier von einem einzigen Sekundschritt geprägte Andante, der mit der berühmten „Mannheimer Rakete“ – einer schnell aufsteigenden Tonfolge – einsetzende Finalsatz gelingt messerscharf und glanzvoll. In halsbrecherischem Tempo, aber immer fest im Sattel, führen die Philharmoniker das Stück und den ganzen Abend zu einem grandiosen Abschluss.