Aufregung um Demiral-Sperre: Online-Nutzer sehen Doppelmoral in Uefa-Entscheidung

Die Zwei-Spiele-Sperre für den türkischen Abwehrspieler Merih Demiral nach dem Wolfsgruß-Eklat sorgt in den sozialen Medien für viel Aufregung. Der Hashtag #BeFairUEFA war am Freitag zwischenzeitlich einer der weltweiten Top-Trends beim Portal X.

Zahlreiche Nutzer echauffierten sich unter anderem über die aus ihrer Sicht fehlende Verhältnismäßigkeit zwischen der Demiral-Sperre und der Strafe für Jude Bellingham. Der englische Nationalspieler war von der Europäischen Fußball-Union nach einer obszönen Geste mit einer Geldstrafe in Höhe von 30.000 Euro und einem Spiel Sperre auf Bewährung davongekommen.

„Wir verurteilen die ungerechte und parteiische Entscheidung der UEFA, die keinerlei rechtliche Grundlage hat und unserer Meinung nach völlig politisch ist“, schrieb der türkische Sportminister Osman Askin Bak im Onlinedienst X.

„Wir werden weiterhin über rechtliche Mittel unser Recht einfordern gegen die Doppelmoral, die auf unser Land und unseren Nationalspieler Merih Demiral angewendet werden. Wir glauben an unsere Fußballer. Sie werden die notwendige Antwort auf dem grünen Platz geben.“

Wir verurteilen die ungerechte und parteiische Entscheidung der UEFA, die keinerlei rechtliche Grundlage hat und unserer Meinung nach völlig politisch ist.

Osman Askin Bak, Sportminister der Türkei

Die einflussreiche Fan-Gruppe Ultraslan von Traditionsclub Galatasaray beklagte bei Instagram die UEFA-Entscheidung gegen Demiral und kündigte an, es nicht abwarten zu können, „morgen als Tausende Graue Wölfe in Berlin und als Millionen in der Welt eine Antwort auf diese Gemeinheit zu geben“.

Uefa kündigte Durchgreifen vor EM-Start an

Kurz zuvor hatte die Uefa Demiral wegen des Zeigens des nationalistischen Wolfsgrußes bei seinem Torjubel im Spiel gegen Österreich für zwei EM-Spiele gesperrt.

Der Wolfsgruß ist ein Handzeichen und Symbol der türkischen rechtsextremen und ultranationalistischen Organisation „Graue Wölfe“. In Deutschland ist die auch als Ülkücü-Bewegung bekannte Gruppierung zwar nicht verboten, wird aber vom Verfassungsschutz beobachtet.

Eine Person zeigt den Wolfsgruß – ein Erkennungszeichen der „Grauen Wölfe“ – während einer Pro-Türkischen Demonstration in München.

© dpa/Peter Kneffel

Der Wolfsgruß drückt in der Regel die Zugehörigkeit oder das Sympathisieren mit den „Grauen Wölfen“ aus. Im Zuge eines erstarkenden Nationalismus haben zuletzt aber auch Vertreter der politischen Mitte das Zeichen genutzt, um etwa Wähler aus nationalistischen Milieus anzusprechen.

Allgemeine Verhaltensgrundsätze nicht eingehalten, die grundlegenden Regeln des guten Benehmens verletzt, Sportereignisse für Kundgebungen nicht-sportlicher Art genutzt und den Fußballsport in Verruf gebracht.

Die Uefa begründet ihre Entscheidung.

Die Uefa begründete ihre Entscheidung zur Sperre des Spielers unter anderem damit, dass Demiral „die allgemeinen Verhaltensgrundsätze nicht eingehalten, die grundlegenden Regeln des guten Benehmens verletzt, Sportereignisse für Kundgebungen nicht-sportlicher Art genutzt und den Fußballsport in Verruf gebracht“ habe.

Die Uefa hatte vor Beginn der EM angekündigt, politische Botschaften während der EM auf den Tribünen und auf dem Rasen zu verbieten. Der 26-jährige Verteidiger ist nun für das Viertelfinalspiel am Samstag gegen die Niederlande gesperrt und dürfte bei einem Weiterkommen der Türkei auch im Halbfinale nicht spielen.

Türkischer Verband legt wohl Berufung gegen Sperre ein

Der türkische Fußballverband TFF zieht einem Medienbericht zufolge gegen die Zwei-Spiele-Sperre gegen Nationalspieler Merih Demiral im Zuge des Wolfsgruß-Jubels vor den Internationalen Sportgerichtshof Cas.

Ein Reporter der öffentlich-rechtlichen Rundfunkgesellschaft TRT berichtete, der Verband werde beim Cas Berufung einlegen. Es gebe dort ein beschleunigtes Verfahren speziell für die Fußball-EM, mit einer Entscheidung sei wahrscheinlich schon am Freitagabend zu rechnen.

Demirals Geste löste zudem diplomatische Verstimmungen zwischen Berlin und Ankara aus. Nach Kritik aus der Bundesregierung an Demirals Wolfsgruß bestellte die türkische Regierung den deutschen Botschafter in Ankara ein, kurz darauf erfolgte die Einbestellung des türkischen Botschafters durch das Auswärtige Amt in Berlin.

Erdoğan hält Kritik an Demiral für Übertrieben

Für das Spiel am Samstag hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan sein Kommen angekündigt. Dieser hält die Kritik an der Wolfsgruß-Geste des türkischen Nationalspielers offenbar für übertrieben. Der Spieler habe lediglich seine „Begeisterung“ gezeigt, sagte Erdoğan laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu.

Sagt jemand etwas darüber, dass auf den Trikots der Deutschen ein Adler ist? Sagt jemand etwas darüber, dass auf den Trikots der Franzosen ein Hahn ist und warum sie sich wie Hähne aufspielen?

Recep Tayyip Erdoğan, türkischer Präsident

Erdoğan sagte weiter: „Sagt jemand etwas darüber, dass auf den Trikots der Deutschen ein Adler ist? Sagt jemand etwas darüber, dass auf den Trikots der Franzosen ein Hahn ist und warum sie sich wie Hähne aufspielen?“ Zur Entscheidung der UEFA, den Spieler für zwei Partien zu sperren, äußerte er sich zunächst nicht.

Demirals Frau verteidigt ihren Mann

Auch Demirals Ehefrau hatte den türkischen Fußball-Nationalspieler vehement verteidigt. „Mein Mann ist kein Rassist!“, sagte Heidi Demiral der Schweizer Zeitung „Blick“. Ihr Mann sei „liebenswürdig, offen und tolerant“, ergänzte die 34 Jahre alte Schweizerin, die laut „Blick“ gebürtige Kosovarin ist.

Bereits am Donnerstag hatte sich Heidi Demiral auf Instagram in der Sache zu Wort gemeldet. „Der Wolf ist das tierische Symbol der Türkei. Er hat nichts mit Rassismus oder Faschismus zu tun“, schrieb sie auf ihrem Account: „Vielfalt ist die Schönheit unserer Familie und die Stärke unserer Geschichte. Toleranz, Freundlichkeit, Liebe und Großzügigkeit sind grundlegende Werte, die wir unseren Kindern beibringen.“

Türkische Ultras riefen die Fans auf, den Wolfsgruß während der türkischen Nationalhymne vor dem Spiel am Samstag zu zeigen. Damit sollten sie zeigen, „dass das Zeichen der Grauen Wölfe kein ‚Rassismus‘ ist, sondern ‚das nationale Symbol des Türkentums‘“, hieß es. (dpa/AFP)