Kolumne zur Premier League: Wie Graham Potter den FC Chelsea umkrempelt

Graham Potter ist seit sieben Spielen Trainer beim FC Chelsea. Sein Vorgänger Thomas Tuchel musste Anfang September nach sieben Spielen gehen. Zeit für eine kleine Zwischenbilanz der jungen Ära Potter, denn es waren zuvor hektische sechs Monate an der Stamford Bridge, in denen mit Tuchel nicht nur einer der renommiertesten Trainer der Branche demontiert wurde, sondern auch die Klub-Eigentümerschaft von einem anrüchigen Mäzen zum anderen wechselte.

Nach der russischen Invasion in der Ukraine Anfang des Jahres gehörte der frühere Chelsea-Eigentümer Roman Abramovic zu den ersten und am stärksten betroffenen Oligarchen, die von der Regierung des Vereinigten Königreichs sanktioniert wurden. Abramovics Vermögen wurde eingefroren, auch seine Anteile an seinem geliebten Fußballverein. 21 große Trophäen wurden von ihm bei Chelsea finanziert, darunter fünf Meistertitel und Titel in der Champions League.

Am 31. Mai gab ein Konsortium um den US-amerikanischen Investor Todd Boehly die Übernahme des Klubs im Westen Londons für 2,5 Milliarden Pfund bekannt. Boehly selbst hat eine langjährige Beziehung zur Sportindustrie, sein Sportportfolio umfasst Anteile sowohl bei den LA Dodgers (Baseball) als auch bei den LA Lakers (Basketball). Er ist nicht nur zum Klubvorsitzenden ernannt worden, sondern fungiert derzeit auch als Interims-Sportdirektor bei Chelsea.

Die Übernahme ist die jüngste unter einer wachsenden Zahl von US-Investoren in der Premier League, in der fast die Hälfte der Spitzenklubs in nordamerikanischem Besitz sind. Mit der Zusage von weiteren 1,75 Milliarden Pfund für Investitionen in das Stadion und die weitere Infrastruktur sowie in die Akademie und in das Frauenteam des Klubs ist die Zukunft von Chelsea zumindest finanziell in sicheren Händen.

Der Vorstand gab vor der Saison mehr als jeder andere Klub der Welt für Verstärkungen aus. Insbesondere in der Innenverteidigung waren die nötig, nachdem die in die Jahre gekommene Abwehr von Chelsea mit Antonio Rüdiger und Andreas Christensen zwei ihrer zentralen Figuren verloren hatte. Während Chelsea in den Jahren zuvor für seine defensive Solidität bekannt geworden war, hatte Tuchel zu Saisonbeginn die Defensivleistungen seiner Mannschaft als „weich“ eingestuft – und wurde genau 100 Tage nach der Übernahme durch die neuen Eigner von seinen Aufgaben entbunden.

Die neuen Eigentümer trauten Tuchel keine Trendwende mehr zu

Die Frage ist, ob Tuchels Rauswurf zu erwarten war. Die Antwort: ja und nein. Dies ist nun das dritte Mal, dass Tuchel seit seinem Ausscheiden in Mainz im Jahr 2014 nicht mehr als zwei volle Spielzeiten bei einem Klub absolviert hat. Nach dem Einstieg des US-Investors war Tuchels langfristige Zukunft als Trainer in London sicher zweifelhaft. Der Zeitpunkt seiner Entlassung, insbesondere so früh in der Saison und nachdem er im Sommer-Transferfenster so extravagant unterstützt worden war, kam jedoch überraschend.

Seit Tuchels Abgang läuft es besser. Graham Potter ist ein Manager, dessen Aktien Jahr für Jahr beständig gestiegen sind. Sein Weg an die Spitze des Spiels ist für englische Verhältnisse sicherlich unkonventionell, er verbrachte sieben Jahre beim schwedischen Klub Östersund, bevor er seine erste Chance in Großbritannien bekam. Potters Fähigkeit ist, Mannschaften schrittweise zu verbessern.

Seine unterhaltsame, offensive und taktisch flexible Art des Fußballs gehören zu den Faktoren, die zu seiner Ernennung bei Chelsea geführt haben. Da das Rennen um einen Platz in der Champions League so umkämpft ist wie nie zuvor, wird das Spiel am Samstag gegen Manchester United (18.30 Uhr/live auf Sky) ein entscheidendes Duell im Rennen um die Top vier sein. Und, gut aus Sicht von Chelsea: Alles ist möglich.

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