Mit der Macht der Nostalgie

Der Fußball kann ein ganz schöner Schlawiner sein. Traut man ihm gar nicht unbedingt zu, dass er Spaß an kleinen ironischen Neckereien hat. Aber man kann ja mal bei Markus Weinzierl nachfragen. Weinzierl war mal ein ziemlich gehypter Trainer, bis er sich beim FC Schalke 04 und dem VfB Stuttgart seinen Namen ruiniert hat und schließlich vom Trainerkarussell absteigen musste. Ziemlich genau zwei Jahre hat er seitdem darauf gewartet, dass ihm jemand einen Chip für die nächste Fahrt gibt.

Ende April 2019 ist Weinzierl beim VfB entlassen worden, weil er nach einer 0:6-Niederlage als nicht mehr tragbar galt. Die 0:6-Niederlage war nicht einfach nur eine 0:6-Niederlage; es war eine 0:6-Niederlage gegen den FC Augsburg, gegen den Klub also, dem Weinzierl seinen guten Ruf zu verdanken hatte, weil er dort in vier Jahren aus wenig relativ viel gemacht hatte.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können]

In Augsburg immerhin hat man sich jetzt an die schöne Zeit mit Weinzierl inklusive der bisher einzigen Europapokalteilnahme der Vereinsgeschichte erinnert. Am Montag hat der FCA ihn bis zum 30. Juni 2022 als Trainer angestellt, nachdem er sich zuvor von Heiko Herrlich getrennt hatte. Herrlich waren schlechte Ergebnisse in Tateinheit mit schlechtem Fußball vorgeworfen worden. Entlastungszeugen fanden sich keine. Es habe „der Glaube gefehlt, die restlichen Spiele in der bisherigen Konstellation erfolgreich zu gestalten“, erklärte Stefan Reuter, der Sportchef des FCA.

Drei Spieltage vor Saisonende in der Fußball-Bundesliga ist das natürlich nichts anderes als eine Verzweiflungstat. Aber immerhin hat der FCA einen guten Zeitpunkt für diese Verzweiflungstat erwischt. Weil die Bundesliga am Wochenende pausiert, bleiben Weinzierl fast zwei volle Wochen, um sein neues Team auf das nächste Spiel vorzubereiten. Auf das Spiel gegen den VfB Stuttgart.

Nur Werder hat den Trainer noch nicht gewechselt

Augsburg, zwischenzeitlich in einer recht komfortablen Situation, ist nach nur einem Punkt aus den jüngsten vier Spielen wieder in ernster Gefahr. In einer solchen Lage den Trainer zu wechseln liegt nahe. Das zeigt auch ein Blick auf die Konkurrenz im Abstiegskampf. Nach Herrlichs Entlassung gibt es im unteren Tabellendrittel nur noch einen Klub, bei dem noch derselbe Trainer im Amt ist wie zu Saisonbeginn. Das ist Werder Bremen.

Aber selbst in Bremen mehren sich die Zeichen, dass der Klub auf dieses Alleinstellungsmerkmal keinen allzu großen Wert mehr legt – anders als in der Vorsaison, als Werder an Florian Kohfeldt festhielt und in der Relegation den Klassenerhalt schaffte. Sportchef Frank Baumann hat jedenfalls nach dem ebenso desaströsen wie deprimierenden 1:3 bei Union ergebnisoffene Gespräche über die Zukunft des Trainers angekündigt. Dass Kohfeldt nach diesen ergebnisoffenen Gesprächen weitermachen darf, scheint nach sieben Niederlagen hintereinander und dem ungebremsten Sturz Richtung Abstiegszone immer unwahrscheinlicher.

Werder ist nicht mehr Werder

Eigentlich müsste Werder die Mannschaft und den Trainer wegen Rufschädigung verklagen. Von dem, wofür der Klub einmal stand, von mitreißendem Offensivfußball, ist nichts mehr übrig geblieben. Und auch wenn Kohfeldt nicht allein dafür verantwortlich ist, so dürfte er als Erster die Konsequenzen tragen müssen.

Wie sehr die Sehnsucht nach den großen alten Werder-Zeiten immer noch mitschwingt, zeigen die Debatten um Kohfeldts möglichen Nachfolger. Als Favorit gilt Thomas Schaaf. Zum einen wegen seiner sofortigen Verfügbarkeit, da er als Technischer Direktor ohnehin bei Werder unter Vertrag steht. Zum anderen wegen seiner Vergangenheit. Vier Titel holte Schaaf, der am Freitag 60 wird, zwischen 1999 und 2013 mit den Bremern.

Die Zeit danach aber verlief für ihn ähnlich unbefriedigend wie für Weinzierl die Zeit nach Augsburg. Blieb Schaaf bei Eintracht Frankfurt zumindest noch eine komplette Saison im Amt (genau wie Weinzierl in Schalke), so endete seine Tätigkeit bei Hannover 96 ebenso vorzeitig wie Weinzierls Engagement in Stuttgart. In elf Spielen unter Schaaf holte 96 nur drei Punkte. Aber Hannover ist eben nicht Bremen. Und Stuttgart nicht Augsburg.