Mensch und Tier in der Stadt – wie funktioniert ein Zusammenleben?

Wer einen Hund besitzt, der kann sich geradezu totkaufen. Es genügt ein Blick in das inszenierte Zimmer von Theo Deutinger, Charlotte Kaulen und Crew, um eine Idee von jener Industrie zu bekommen, die sich damit eine goldene Menschennase verdient.

Decke, Sofa und eine Rampe für hüftlahme Tiere, die selbstverständlich im Vierbeiner-Buggy herumgefahren werden. Spielzeug und Laufstall sind Optionen, die ganze Welt der Dekoration – Hundemotive auf Lampenschirmen, Teppichen oder Gardinen – vor allem ästhetisches Ärgernis.

Auf einer kleinen Litfaßsäule listet Deutinger, der eigentlich Architekt ist, seine sozio-kulturellen Erkenntnisse jedoch gern grafisch umsetzt, den CO2-Tatzenabdruck von Canis lupus familiaris ebenso auf wie die Menge aller Kackhaufen, die allein Berlins Haushunde jährlich produzieren. Und dann noch die für die Nahrung benötigten Fleischmengen …

„Pet City“ gehört zu den plakativsten Installationen der Ausstellung „Cohabitation“ im Weddinger Kulturquartier Silent Green. Und obwohl ihre scharfe Konsumkritik unmittelbar einleuchtet, verfehlt die Arbeit doch das Thema. Schließlich geht es um die Frage, wie sich Mensch und Tier im urbanen Kontext mit- oder nebeneinander einrichten (müssen), um für eine herausfordernde Zukunft gewappnet zu sein.

„Pet City“ spiegelt dagegen den Ist-Zustand von Hundehaltern, die ihre eigenen Bedürfnisse mit denen der Tiere verwechseln. Dabei verspricht die Ausstellung mit über 30 künstlerischen Positionen „Ein Manifest für Solidarität von Tieren und Menschen im Stadtraum“. Da muss schon mehr her als ein ödes Sex Toy für den unbefriedigten Gefährten des Menschen.

Auf der Suche nach einem konstruktiveren Verhältnis

Respekt zum Beispiel und im zweiten Schritt wohl auch Verzicht. Genau hier berührt das Thema den innersten Kern des anthropologischen Selbstverständnisses. Bislang ist das Verhältnis hierarchisch geprägt, der Mensch unterscheidet das Haustier vom sogenannten Ungeziefer, er teilt ein in seelenlosen Fleischlieferanten und tierischen Partner, den nach dem Ableben vielleicht sogar ein Urnengrab erwartet. Passend geht es zur Ausstellung tief in die Leichenhalle des einstigen Krematoriums.

Eine betonierte Rampe führt in den Keller, an der Stirnwand darüber spricht die Performerin Alicia Agustín das für „Cohabitation“ verfasste Manifest des österreichischen Philosophen Fahim Amir. Ort ihres Video-Vortrags ist eine ruinöse Architektur, und es fällt nicht schwer, zu imaginieren, dass wir uns unweigerlich dorthin katapultieren, wenn sich nicht bald etwas ändert in unserem auf Ausbeutung basierendem Verhältnis zur Welt.

[Silent Green, Gerichtsstr. 35, bis 4. Juli, Di–So 11–19 Uhr, www.cohabitation.de]

Dass es ein konstruktiveres Verständnis geben könnte, zeigt die zweite Arbeit am Eingang: „Mapping the post-human City“ von Moritz Ahlert und Alsino Skowronnek in Zusammenarbeit mit Pollinations in Blatant Space und dem hiesigen Naturkundemuseum. Sie erfasst die Habitate diverser Spezien etwa im Tiergarten, morpht neue Arten aus Fotografien – und konfrontiert einen mit schier unfassbaren Zahlen wie gleich mehreren Millionen Vögeln, denen die architektonischen Glasflächen der Metropole jedes Jahr zum Verhängnis werden.

Unter Umständen reicht zur Vernichtung aber auch ein Bagger. Den Beleg liefert Daniel Poller 2017 mit seinen Fotos vom Abriss des Instituts für Lehrerbildung in Potsdam. Poller, eigentlich Architekturfotograf, dokumentierte in der Serie eher zufällig, wie ein Hausrotschwanz im Schutt panisch nach seinem Nest und den Jungen sucht.

Eine Show mit großem Potential

Dem Abschnitt „Anthropocity“ schließen sich in der von der Architekturzeitschrift Arch+ und vier Kurator:innen realisierten Schau die Perspektiven „Eco City“ und „Zooplis“ an. Beide fordern ein anderes Verständnis im Zusammenleben und entwickeln Szenarien bis hin zum Parlament nichtmenschlicher Organismen, wie es dem Club Real vorschwebt. Und auch wem es schwerfällt, die eigene Sichtweise gegen die eines Wurms zu tauschen, um dessen Bedürfnisse zu begreifen, der probiert es immerhin mal mit dem temporären Exit aus der eingeübten Wahrnehmung.

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Man muss kein Tierethiker sein, um das Potenzial von „Cohabitation“ zu sehen. Wer in die kommunizierenden Röhren schaut, die Landschaftsarchitekt Thomas Hauck und sein Büro in die Rabatte des Kulturquartiers gebaut und mit „Not so silent green“ betitelt haben, versteht, dass es schon ohne diese Winzlinge in den geschichteten Erdreichen nicht ginge: Auf dem Friedhof nebenan wäre längst kein Platz mehr, würde der Kreislauf aus Werden und Vergehen nicht beständig funktionieren. Mit welchem Recht also enthält man den unermüdlichen Erdbewohnern eine Architektur vor, „die die Vernetzung und Barrierefreiheit der Wege gewährleistet“?

„Menschen konnten sich nur in interaktiven und kooperativen Beziehungen zu anderen Spezies entwickeln“, heißt es in Amirs Manifest. Auch künftige Stadtgesellschaften basieren auf diesen Prinzipien und könnten vom hier versammelten Wissen profitieren. Ein sehenswertes interdisziplinäres Projekt, das von hochkomplexen Diagrammen bis zum hyperästhetischen Video von Cyprien Galliard alles enthält.

Der französische Künstler zeigt sich fasziniert von jenen grünen Halsbandsittichen, die seit langem Rhein und Ruhr besiedeln und unter anderem die Plantanen auf der Düsseldorfer Kö zu ihrem Nachtquartier gemacht haben. An den Menschen auf der luxuriösen Einkaufsmeile stören sie sich nicht.