Marius Gersbeck muss vor Gericht: Anklage gegen den Torhüter von Hertha BSC

Tjark Ernst hat am vergangenen Samstag einen erfolgreichen Arbeitstag erlebt. Ernst ist Torhüter bei Hertha BSC, und mit seiner Mannschaft feierte er am Wochenende im vierten Spiel der Zweitligasaison den ersten Sieg; zudem spielte der Torhüter erstmals zu null – nicht zuletzt, weil er beim 5:0-Erfolg gegen Greuther Fürth einige gute Chancen des Gegners vereitelte.

Sein Trainer Pal Dardai ist am Tag danach noch einmal gefragt worden, ob Ernst mit seinem jugendlichen Alter von gerade 20 Jahren nun die Nummer eins sei beziehungsweise bleibe, und Dardai hat darauf – wie zuletzt immer eigentlich – mit einem entschiedenen Ja geantwortet. „Es geht in die gute Richtung“, sagte der Ungar über Ernst, der über die Erfahrung von gerade mal vier Pflichtspielen für Herthas Profis verfügt. „Er muss noch ein bisschen sicherer werden mit dem Fuß. Aber seine Reflexe, seine innere Ruhe, seine Ausstrahlung: Das ist alles gut.“

Für die Berliner und ihren Trainer ist das auch insofern eine beruhigende Erkenntnis, als sie erst einmal nicht auf den Torhüter setzen können, den sie im Sommer als potenzielle Nummer eins verpflichtet haben. Denn das, was sich in der vergangenen Woche bereits angedeutet hat, ist nun Gewissheit: Marius Gersbeck muss sich kommenden Monat vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft Salzburg hat am Montag gegen ihn Anklage wegen schwerer Körperverletzung erhoben.

Der 28-Jährige soll während Herthas Trainingslager in Österreich einen 22-Jährigen körperlich attackiert und krankenhausreif geschlagen haben. Nach Ansicht der Justizbehörde steht Gersbeck „im Verdacht, am 16. Juli 2023 in Zell am See dem Opfer Faustschläge und Tritte versetzt zu haben und dadurch, wenn auch nur fahrlässig, eine schwere Körperverletzung, nämlich eine Orbitabodenfraktur, eine Kieferhöhlenwandfraktur sowie ein Lidhämatom, herbeigeführt zu haben“. Ihm droht eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

5

Jahre beträgt in Österreich die Höchststrafe bei schwerer Körperverletzung.

Gersbeck, den Hertha gerade erst für 300.000 Euro vom Ligakonkurrenten Karlsruher SC verpflichtet hatte, ist nach dem Vorfall vom Klub suspendiert worden. Seitdem ist er vom Training freigestellt. Ein Zivilgerichtsverfahren hat Gersbeck durch eine außergerichtliche Einigung und eine Entschädigungszahlung an sein Opfer verhindern können. Im nun anstehenden Strafprozess könnte sich das unter Umständen strafmildernd auswirken.

Derzeit hält sich der Torhüter mit Unterstützung Herthas individuell fit. Kay Bernstein, der Präsident des Klubs, hat sich zuletzt dafür eingesetzt, dass Gersbeck, Vater dreier Kinder, bei Hertha eine zweite Chance bekommen soll. Bernstein kennt den Torhüter, der wie er als Ultra in der Fankurve gestanden hat, schon lange. Er soll ihm auch freundschaftlich verbunden sein.

Ob Gersbeck tatsächlich wieder Teil der Profimannschaft wird, hängt entscheidend vom Ausgang des Gerichtsverfahrens in Salzburg ab, das für den 28. September terminiert ist. Offiziell äußern will sich Hertha in der Angelegenheit nicht, intern aber heißt es, dass man nach dem Prozess über das weitere Vorgehen entscheiden werde.

Innerhalb der Gremien – Präsidium, Aufsichtsrat, Vereinsgericht – gibt es unterschiedliche Ansichten, wie mit dem Fall umzugehen ist. Ein Mitbestimmungsrecht haben die Klubgremien de jure nicht. Die Entscheidungsgewalt liegt bei Tom Herrich, dem Geschäftsführer der Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA).

Die Entscheidung der österreichischen Justiz betrifft auch Herthas sportliche Planung. Im Sommer hatte der Klub mit Gersbeck bewusst einen erfahrenen Torhüter verpflichtet. Nach seiner Suspendierung und dem Wechsel des bisherigen Stammkeepers Oliver Christensen, 24, nach Florenz besteht das Torhüterteam des Bundesligaabsteigers nur noch aus Ernst, 20, aus Robert Kwasigroch, 19, und aus Tim Goller, 18.

Am 1. September um 18 Uhr endet die Sommertransferphase. Die Zeit drängt also. Allerdings sieht es nicht danach aus, dass Hertha bis dahin einen zusätzlichen Torhüter verpflichten wird. Das wäre auch nach Transferschluss noch möglich – zumindest bei Torhütern, die vertragslos sind.

„Wir können immer noch reagieren“, hat Trainer Dardai am Sonntag gesagt, als die Entscheidung der Staatsanwaltschaft in Salzburg noch ausstand. Wenn Gersbeck tatsächlich nicht zurückkehre und Ernst sich verletzte, „hast du auf dem Markt immer erfahrene Torhüter, die du holen kannst, damit sie aushelfen“.