Kuchen und Chaos: „Zum Glück viel Geburtstag“ im Grips Theater

Es hat in der Geschichte der Menschheit garantiert noch nie eine Kindergeburtstagsfeier ohne Tränen gegeben. Zu groß sind die Erwartungen, dass solche Feste perfekt ablaufen, vom Kuchen über die Geschenke bis zur Schatzsuche. Da kann die Realität mit ihrem Hang zum Unvorhersehbaren einfach nicht mithalten, weswegen am Ende meistens das zu feiernde Kind einen mittleren Nervenzusammenbruch erleidet, während die Eltern sich schwören, beim nächsten Mal die Organisation an Profis outzusourcen, koste es, was es wolle.

Genau so eine aus dem Ruder laufende Feier ist jetzt am Grips Theater zu erleben – mit hohem emotionalem Andockpotenzial für alle, die schon mal an Sackhüpfen oder Eierlauf beteiligt waren, egal, auf welcher Seite der Veranstaltung.

„Zum Glück viel Geburtstag“ heißt das vergnügliche jüngste Stück der Autorin Milena Baisch („Die Prinzessin und der Pjär“, „Laura war hier“). Es erzählt von Niko, der acht Jahre alt wird und vor Aufregung kaum noch an sich halten kann (gespielt von Eike N.A. Onyambu, der sich bei der Generalprobe verletzt hat, die Premiere aber bemerkenswert tapfer mit Gehhilfen meistert).

Der Junge hat nur seine best buddies Miray (Helena Charlotte Sigal) und Karl (Marcel Herrnsdorf) eingeladen und einen Masterplan entworfen, wer wo sitzen soll, wann das „Seeadler“-Ritual zu performen ist, das die drei als Geheimbund zusammenschweißt, welche Spiele wann dran sind.

Mutter hat Dienst bei der Feuerwehr

Die Probleme beginnen allerdings damit, dass Nikos Vater (René Schubert) die ganze Chose allein schmeißen muss (die Mutter hat Dienst bei der Feuerwehr) und damit ansehnlich überfordert ist. Zumal auch noch der gebuchte Clown Corona-erkrankt absagt, was Papa zu einem Auftritt als Aushilfs-„Beppo“ mit Riesenkrawatte nötigt (selten war Schubert am Grips so lustig zu sehen!).

Endgültig wird die Feierlaune aber verhagelt, als unversehens das Nachbarsmädchen Feodora (Yana Ermilova) vor Tür steht und mitfeiern will. Dabei können Niko, Miray und Karl die so gar nicht leiden. Es fallen Schatten auf den viel zu kleinen Kuchen mit einsamer Kerze.  

Volker Ludwigs 80. lieferte die Idee

Die Idee zu diesem Stück für Menschen ab 6 ist Milena Baisch ausgerechnet beim 80. Geburtstag des Grips-Gründers Volker Ludwig gekommen. Nicht, weil der mit Tränen und Geschrei endete (soweit bekannt), sondern weil ihr bei diesem Anlass bewusst wurde, dass am Hansaplatz erstaunlicherweise nicht der eine, ikonische Grips-Geburtstags-Song existiert. Also hat Ludwig höchstselbst für diese Uraufführung eine handvoll neue Lieder getextet, darunter eben auch eine Feiertagshymne („Ich hab heut’ Geburtstag, das größte Fest im Jahr. Ich hab heut’ Geburtstag, das wird wunderbar“).

Die Musik dazu stammt von seinem Sohn Caspar Hachfeld, der quasi im Theater aufgewachsen ist („Meine ersten Erinnerungen sind wahrscheinlich, wie ich bei ‚Linie 1’ im Zuschauerraum sitze und der Band zuschaue“). Und der entsprechend den klassischen Grips-Stil aus dem Effeff beherrscht, jedoch frisch und zeitgemäß arrangiert.

Und ewig mosern die Gäste

Es sind schöne Songs entstanden – über das Streiten zum Beispiel, oder über Angst (gesungen von Marcel Herrnsdorf in der sehr komischen Rolle des überhüteten Muttersöhnchen-Schlaumeiers Karl: „Überall droht Gefahr… wie wahr!“). Live begleitet von den Musiker:innen Anja Lotta, Ludwig Kociok und Christoph Chudaska im Stil einer Zirkusband.  

Regisseurin Sabine Trötschel hat zudem ein perfektes Ensemble für die Königsdisziplin „Kinder spielen“ gewonnen. Die beherrschen sie am Grips bekanntlich wie kaum irgendwo sonst. Eike N.A. Onyambu ist toll als beflissener Achtjähriger, der verstehen muss, was das Problem mit allen Feiern ist: man kann es den Gästen nie recht machen.

Der eine erzählt vom leckeren kalten Hund, der anderswo aufgetischt wurde, die nächste prahlt mit dem Tropical Island, wo sie ihren kommenden Geburtstag feiern will. Helena Charlotte Sigal reiht sich dazu höchst würdig in die Ahnengalerie der forschen, unerschrockenen Grips-Mädchen ein, während Yana Ermilova sehr mitnehmend die ausgestoßene Feodora gibt, in der es verständlicherweise brodelt.   

„Zum Glück viel Geburtstag“ – aufgeführt in einem Multifunktionsbühnenbild aus Holzelementen, die zum Haus oder zur Kinderzimmerschrankwand zusammengeschoben werden können (Bühne und Kostüme: Klemens Kühn) – beschwört die guten alten Werte Freundschaft und Zusammenhalt. Und eine bedenkenswerte Botschaft gibt’s als Kirsche auf der Sahne obendrauf, aus dem Munde von Nikos Papa: „Ein Fest wird nur gut, wenn es so wird, wie es wird“.

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