Kolumne Berliner Trüffel (42): Das Giordano Bruno Denkmal am Potsdamer Platz
Tausendmal vorbeigegangen, tausendmal nichts gesehen. Schon erschütternd, wie rudimentär man als Passantin die Stadt wahrnimmt. Und doch sind schon von oben die gestreckten Bronzefüße eines Mannes mit gespreizten Zehen zu sehen, wenn man auf der Sony Center-Seite den Glaswürfel des Bahnhofs Potsdamer Platz ansteuert.
Die Skulptur erinnert entfernt an Giacomettis Körpersilhouetten. Sie wirkt wie mitten im Kopfsprung in den Boden gerammt. In einem seltsam verdrehten Kopfsprung allerdings, in dem die übergroßen, spitzfingrigen Handfächer genauso überzeichnet sind wie der zerfließende Kopf der Bronze.
Der Mann, dessen Kopf, besser: dessen überbordender Geist, die Grenzen der Materie zu sprengen sucht, gehört Giordano Bruno. Das verrät die Inschrift in der Sockelplatte. Dem Andenken des italienischen Gelehrten, der am 17. Februar 1600 in Rom als Ketzer verbrannt wurde, ist die Skulptur gewidmet.
Bruno gilt als einer der genialsten Denker der Neuzeit. „Lachhaft zu sagen, außerhalb des Himmels sei nichts“, zitiert eine Inschrift den Priester, Philosophen und Astronomen, der der Inquisition wegen seiner revolutionären Theorien ein Dorn im Auge war.
„Es gibt nicht eine einzige Welt, eine einzige Erde, eine einzige Sonne, sondern so viele Welten, wie wir leuchtende Funken über uns sehen.“
Das Ringen um Sinn ist auch ein Merkmal der Bildhauerei des Berliners Alexander Polzin, dessen kraftvolle, sperrige Skulpturen auch in Paris, New York oder Budapest anzutreffen sind.
Die sechs Meter hohe Bronzeplastik für Giordano Bruno, die seit 2008 am Potsdamer Platz steht, ist ein Guss. Das Original fertigte Polzin aus Holz. Sie steht in Nola bei Rom, wo Bruno im Jahr 1548 geboren wurde. Dass sich in der Bronze die raue Maserung des Holzes abzeichnet, macht Polzins bizarren Denker gleich noch mal so interessant.