Kollektive Ekstase nach Aufstieg: Das Heidenheimer Fußballmärchen
Holger Sanwald kam sich vor wie im „Märchen“. Beim 1. FC Heidenheim und seinem Vorstandschef herrschte nach dem dramatischen ersten Aufstieg in die Fußball-Bundesliga die kollektive Ekstase. „Unkaputtbar“ sei diese Mannschaft, sagte Trainer Frank Schmidt nach dem furiosen Saisonfinale. Der „pure Glaube“ habe sie am Ende zum Sieg geführt, erklärte Matchwinner und Torschützenkönig Tim Kleindienst. Nach neun Zweitliga-Jahren spielt der Ostalb-Club ab Sommer ganz oben mit. Bayern München, Borussia Dortmund – die Großen kommen ins kleine Heidenheim. Für den Kapitän der Schwaben, Patrick Mainka, ist das alles „unfassbar“.
Kaum zu fassen war auch, wie die Heidenheimer im abschließenden Spiel beim SSV Jahn Regensburg am Sonntag noch mal zurückgekommen waren. Nach 0:2-Rückstand sah es schon so aus, als müssten sie den Hamburger SV in der Tabelle noch vorbeiziehen lassen und wie vor drei Jahren den Gang in die Relegation antreten. In der waren sie damals an Werder Bremen gescheitert. Doch diesmal ersparte sich der FCH die nervenaufreibenden K.o.-Spiele. Dank eines sensationellen Comebacks und zwei Toren in der Nachspielzeit gewann die Schmidt-Elf in Regensburg noch mit 3:2, schubste den HSV wieder aus den direkten Aufstiegsrängen und sicherte sich zudem den Titel als Zweitliga-Meister.
Die offizielle Party fand am Montag statt
Nicht nur das Spiel selbst, auch die Szenen danach seien der „Wahnsinn“ gewesen, sagte Mittelfeldmann Jan-Niklas Beste. Erst wurde auf dem Regensburger Rasen gefeiert, dann Coach Schmidt bei der Pressekonferenz von seinen Spielern mit Bier überschüttet. Als er kurz vor Mitternacht wieder am heimischen Stadion in Heidenheim ankam, wurde der FCH-Tross von jubelnden Fans empfangen und zog für weitere Feierlichkeiten in die Stadt weiter. Am Montagnachmittag stand dann die offizielle Aufstiegsparty in der Arena an – inklusive Übergabe der Zweitliga-Meisterschale und Eintrag ins Goldene Buch der Stadt.
Der erstmalige Bundesliga-Aufstieg ist der größte Erfolg der Heidenheimer Clubhistorie, aber keine völlige Überraschung mehr. Zum fünften Mal in Serie schlossen die Schwaben eine Saison mit mehr als 50 Punkten ab. Der Verein aus dem rund 50 000 Einwohner zählenden Städtchen an der Brenz hatte sich längst im oberen Liga-Drittel etabliert – auch finanziell. Knapp 40 Millionen Euro betrug der Etat für diese Spielzeit, zur kommenden wird er wohl auf rund 55 Millionen ansteigen.
Besonders mit den Namen Sanwald und Schmidt ist die Erfolgsgeschichte eng verbunden. Die Kontinuität ist der große Trumpf auf der Ostalb. Bereits 1994 heuerte Sanwald beim Heidenheimer SB an, dem die Fußballer damals noch angehörten. Schmidt war als Spieler für den HSB aktiv, ehe sich die Fußballer 2007 unter dem Namen 1. FC Heidenheim als rechtlich eigenständiger Verein abspalteten. Nach seinem Karriereende übernahm er noch im selben Jahr zunächst kommissarisch und dann dauerhaft das Traineramt. 16 Jahre später sitzt er immer noch auf der Heidenheimer Bank. Gemeinsam ist es dem Duo gelungen, die Abgänge von Leistungsträgern immer wieder aufzufangen und die Mannschaft neu auszurichten.
Das Denkmal, das er nach Sanwalds Meinung bekommen müsste, will Schmidt nicht. Da würde womöglich ja irgendwann dagegen gepinkelt, sagte er nach dem Aufstieg. Es passt zum 49-Jährigen, dass er sich im Moment seines größten Erfolgs aus dem Fokus nimmt. „Nicht die Mannschaft soll mit mir aufsteigen, sondern ich möchte mit der Mannschaft aufsteigen“, habe er vor seinen Spielern unlängst gesagt. Der Traum wurde wahr. (dpa)