John Frusciante ist zurück und die Band-Chemie stimmt
Was erzählt er da? Der Superstar macht nicht den Abwasch? Die großen Affen sollen frei sind? Los jetzt, du fauler Cowboy? Da ging wohl mal wieder einiges durcheinander im Kopf von Anthony Kiedis, als sich der Sänger der Red Hot Chili Peppers den Refrain für „The Great Apes“ vom gerade erschienen Album „Unlimited Love“ (Warner Records) ausgedacht hat.
Man sollte nicht lange über den Sinn dieser Dada-Zeilen grübeln, denn wie so oft bei dieser seit bald 40 Jahren existierenden Band aus Los Angeles ist es letztlich egal, was Kiedis meint – solange sein Gesang so wunderbar leicht und eingängig durch den Klangraum fliegt. Außerdem gibt es in dem Song noch genügend anderer akustischer Attraktionen, allen voran das Gitarrenspiel von John Frusicante. Nach drei Minuten entfacht er eine Solo-Eruption, die alle Affen auf die Bäume jagt.
Interimsgitarrist Josh Klinghoffer musst die Band wieder verlassen
Dass der heute 52-jährige Frusciante noch einmal auf einem Album der Red Hot Chili Peppers zu hören sein würde, erschien lange undenkbar. Schon zwei Mal hat der Gitarrist die Band verlassen, die ihn 1989 nach dem Tod von Hillel Slovak engagiert und mit ihm den Durchbruch geschafft hatte.
Nach der Veröffentlichung von „Blood Sugar Sex Magik“ (1991) stiegen die Red Hot Chili Pepper zu einer der größten Rockbands des Planeten auf. Doch Frusciante versank in seiner Drogensucht, verließ die Gruppe 1992 mitten in einer Tour, kam sieben Jahre später zurück, prägte das großartige „Californication“ und verabschiedete sich nach dem Doppelalbum „Stadium Arcadium“ erneut, um sich in sein experimentell-eklektisches Solowerk zu vertiefen.
Die Red Hot Chili Peppers fanden in Josh Klinghoffer schließlich einen Ersatzspieler, der sich insbesondere auf dem vor sechs Jahren veröffentlichten „The Getaway“ mehr als wacker schlug. Wenn knackige Singles wie „Dark Necessities“ herauskamen, schien John Frusciante nicht zu fehlen, die Band kam klar – und schloss ihren verlorenen Gitarristen Ende 2019 doch wieder in die Arme. Klinghoffer wurde entlassen.
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So bitter das für die Interims-Pfefferschote sein mag: Es hat sich gelohnt, die Besetzung mit Frusciante ist einfach die beste für die Red Hot Chili Peppers, die bei den Aufnahmen zu „Unlimited Love“ wieder mit ihrem Stammproduzenten Rick Rubin zusammengearbeitet haben.
Schon bei der ersten Single „Black Summer“, die das Album auch eröffnet, stellt sich die alte Magie wieder ein. Nach einem sanften Beginn, in den Frusciante ein wenig Glitzer streuselt, steigert die Band langsam die Intensität, um nach eineinhalb Minuten über die Bridge zu cruisen und beim Refrain alle ihre vertrauten Qualitäten auszuspielen. „It’s been a long time since I made a new friend/ Waitin’ on another black summer to end“, singt Kiedis, Frusciante schickt ein sehnsüchtiges Solo hinterher.
Wer jemals ein Herz für die Red Hot Chili Peppers hatte, dem wird es hier aufgehen. Neue Herzen werden sie allerdings kaum gewinnen mit dieser Platte. Was das Quartetts nach rund 80 Millionen verkauften Alben, sechs Grammys und einem gerade verlegten Stern auf dem Hollywood Boulevard aber ohnehin nicht mehr nötig hat. So geht es den Musikern mit dem neuen Werk vor allem um die Freude am gemeinsamen Spiel, um das Fortgetragenwerden vom Flow.
Schön zu hören etwa bei „Here Ever After“, für das Bassist Flea und Schlagzeuger Chad Smith einen fetten, wühlenden Groove fabrizieren, damit Anthony Kiedis mit seinem typischen Stakkato-Sprechgesang darauf heimspringen kann, Frusciante malt derweil seine eigenen Linien hinein – alles fällt ganz selbstverständlich an seinen Platz.
Die Lässigkeit und die Leichtigkeit, mit der die Gruppe agiert, ist beeindruckend. Immer wieder gelingen ihr beglückende Momente, etwa wenn sie sich bei „Aquatic Mouth Dance“ zusammen mit einer Bläsersektion in den Jazzrock vorwagen, bei „The Heavy Wing“ plötzlich mit einem Grungerock-Refrain um die Ecke kommen oder in „Whatchu Thinkin’“ eine eine mitreißende Laut-Leise-Dynamik entwickeln.
Mit 17 Stücken und 73 Minuten Spielzeit ist die Platte etwas zu lang geraten – Songs wie „Poster Child“ oder „Bastards Of Light“ wären durchaus verzichtbar gewesen. Doch das ändert nichts am stimmigem Gesamteindruck und der Tatsache, dass die Red Hot Chili Peppers einen Weg gefunden haben, auf coole Weise in die Spätphase ihres Werkes einzutreten.
Flea und Anthony Kiedis, beide sind inzwischen 59, springen noch dazu in den Musikvideos wie eh und je mit nackten Oberkörpern herum, was ebenfalls komplett unpeinlich wirkt. John Frusciante bleibt bei seinen Holzfällerhemden – und hoffentlich auch bei der Band.