Im Pool mit Anna Netrebko

Softporno-Alarm in der ARD-Mediathek! Da stöbert der Kulturhungrige arglos durch die „Themenwelt Klassik“, die das Erste seit Karfreitag auf seiner Website anbietet, entdeckt in der „Rubrik „Stars“ einen Beitrag mit Anna Netrebko, klickt auf das Video – und traut seinen Augen kaum. Da ist eine sehr knapp bekleidete junge Frau zu sehen, die sich auf einer venusmuschelförmigen, blaumetallic-pinkfarben schillernden Luftmatratze rekelt. Sie treibt auf einer schwarzen Wasserfläche, über ihr leuchtet ein gigantischer Vollmond , während sie das berühmte Lied an den Himmelskörper aus Antonin Dvoraks Oper „Rusalka“ singt.

Die junge Frau bewegt den Mund allerdings nicht wirklich so, wie es eine Opernsängerin normalerweise tut. Noch irritierender allerdings sind die Szenen, die jeweils kurz während der Orchesterzwischenspiele aufflackern, und in denen nackte Silhouetten zueinanderfinden oder die Frau mit zerstrubbelten Haaren im Badezimmer am Marmorwaschbecken lehnt, während ihr Partner hinter einer beschlagenen Glastür duscht.

Am Ende taucht Anna Netrebko nixenhaft ins Wasser ab, woraufhin vor der Mondsichel noch einmal ihr gut gebauter Märchenprinz erscheint, wiederum im Adamskostüm. Das alles ist natürlich hochgradig geschmackvoll inszeniert und selbstverständlich ganz diskret gefilmt. „Dinge gehen vor im Mond, die das Kalb selbst nicht gewohnt“, hätte mein Tonsatzlehrer an der Uni zu dieser diskutablen Opernoptik gesagt, Christian Morgenstern zitierend.

“Bald” soll der RBB dazustoßen

Was allerdings ein Video, das 2004 zur besseren Vermarktung von Anna Netrebkos Debüt-CD bei der Deutschen Grammophon entstanden ist, in der ARD-Mediathek zu suchen hat, bleibt schleierhaft. Schließlich hat der öffentlich-rechtliche Sender seine „Themenwelt Klassik“ mit dem erklärten Ziel eingerichtet, die Arbeit der eigenen Rundfunkorchester sichtbarer zu machen. Auf dem – musikalisch übrigens hochseriösen – Album wird die russische Sopranistin aber von den Wiener Philharmonikern begleitet.

Wahrscheinlich meinten die Verantwortlichen, ohne die berühmteste lebende Operndiva des Erdballs könne man das neue Angebot einfach nicht starten. Auf wen die „Themenwelt Klassik“ dagegen weiterhin problemlos verzichten kann, ist offensichtlich der RBB. Seit fast vier Wochen ist die Website freigeschaltet, beim Deutsche Symphonie-Orchester, das im RBB-Fernsehzentrum an der Masurenallee probt und sein Büro hat, nutzt man das dehnbare Adjektiv „bald“, wenn es um die Frage geht, wann das Orchester endlich neben den Rundfunkensembles von Hamburg bis München in der Klassik-Mediathek Präsenz zeigen wird. Christian Detig, im Sender zuständig für Musikproduktionen, formuliert es ruppiger: Die Konzertmitschnitte werde man dann einstellen, „wenn sie fertig sind“. Beim RBB wird sie eben noch in Ehren gehalten, die alte Musikerweisheit: Gut Kling’ will Weile haben.