Frisch gestreamte Pretiosen

Es ist ein besonders schönes Wort, das sich die Universität der Künste als Titel für ihr alljährliches Musikfestival ausgesucht hat: „crescendo“, das bedeutet im Italienischen „wachsend“, wenn es sich um Flora und Fauna handelt, und „lauter werdend“, wenn es die Welt der Töne betrifft. Die Stimme erheben zu können, hörbar zu werden, mit dem eigenen Tun die Aufmerksamkeit anderer zu erreichen – nichts wünschen sich Künstlerinnen und Künstler derzeit sehnlicher. Nie also war das „Crescendo“-Motto passender als 2021. Vom 21. Mai bis zum 5. Juni werden Studierende und Lehrende öffentlich erklingen lassen, was sie gemeinsam erarbeitet haben.

Allerdings nur im Livestream. Nachdem das Hochschulfestival im vergangenen Frühsommer komplett der Pandemie zum Opfer gefallen war, hatten die beiden organisierenden Professoren Markus Groh und Konstantin Heidrich darauf gesetzt, die damals ausgeklügelten Programme jetzt endlich vor Publikum präsentieren zu können. Doch die Hoffnung erfüllt sich nur halb, die Künstlerinnen und Künstler werden zwar live im Konzertsaal der UdK auftreten, Zuhörer:innen aber sind vor Ort nicht zugelassen.

Damit tut sich ein weiteres Problem auf: Längst hat sich eine allgemeine Bildschirmmüdigkeit ausgebreitet, selbst eingefleischte Klassikfans können sich oft nur schwer überwinden, digitale Konzertübertragungen einzuschalten. Im Fall von „Crescendo“ aber lohnt es sich, denn das Programm bietet echte Pretiosen: zum Beispiel die doppelte „Pastorale“.

Das Eröffnungskonzert, bei dem Reinhard Goebel mit dem Hochschulorchester Beethovens 6. Sinfonie aufführt, wird am 3. Juni mit einer anderen, vielseitig bearbeiteten „Pastorale“” konfrontiert. Dabei wird jeder Satz in einer anderen Besetzung gespielt, vom Soloklavier über Quartett, Sextett und einer Version für Live-Elektronik bis hin zum Bläserensemble.

Klassik, Jazz, Pop: Das Vision String Quartet vagabundiert zwischen den Welten

Garantiert inspirierend wird auch der Auftritt des Vision String Quartet. Die vier zwischen 1990 und 1994 geborenen Streicher geben damit ihr offizielles Master-Abschlusskonzert. Obwohl sie längst kein Geheimtipp mehr sind in der internationalen Kammermusikszene, haben sie tatsächlich noch in Berlin beim Artemis Quartett studiert. Sie spielen stets auswendig und, abgesehen vom Cellisten, im Stehen – um so den Kompositionen näher zu kommen.

Gleichzeitig aber ist das Vision String Quartet nicht verbissen, sondern die Musiker strahlen eine Art von Lässigkeit aus, die sich nicht lernen lässt. Jazz und innovativen Pop finden sie genauso spannend wie die Kanon-Klassiker, am 2. Juni kombinieren sie Meisterwerke von Beethoven und Ravel mit einem Stück des australischen Zeitgenossen Carl Vine. Und als Zugaben wird das Quartett hoffentlich auch noch ein paar ihrer hinreißenden eigenen U-Musik-Arrangements spielen.

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Zu den ganz besonderen Abteilungen der UdK gehört das Julius-Stern-Institut. 1850 als privates Konservatorium gegründet, konnten sich hier Frauen schon in einer Zeit zu Profimusikerinnen ausbilden lassen, als ihnen die staatlichen Hochschulen noch verschlossen waren. Seit 1966 widmet sich das Institut der Hochbegabtenförderung, aktuell gibt es 75 Plätze für Jungstudierende zwischen neun und 18 Jahren. Vier Absolventen kommen am 29. Mai zusammen, um Klavierquartette von Fauré und Brahms zu spielen.

Einen traurigen Anlass hat das hochkarätig besetzte Konzert am 4. Juni. Denn es ist dem Andenken des im Februar verstorbenen Cellisten Wolfgang Boettcher gewidmet, der als Lehrer eine ganze Musikergeneration geprägt hat. Mit dabei werden dann auch die 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker sein. Außerdem im „Crescendo“-Angebot: eine Meisterklasse mit der Geigenvirtuosin Lisa Batiashvili, sämtliche Duo-Sonaten von Beethoven an vier Abenden mit insgesamt 32 Interpret:innen, das Willkommenskonzert für den neuen Professor (und früheren Solo-Trompeter der Berliner Philharmoniker) Gabor Tarkövi sowie ein Bigband-Abend.
Weitere Infos unter: www.udk-berlin.de/crescendo