Chana Marelus und Yaniv Persy: Modenschau bei den Jüdischen Kulturtagen
Jüdische Mode in Berlin – es gab Zeiten, da war sie der Grund, warum die Stadt sich zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts zu einer Modemetropole entwickelte. Um heute eine Schau mit den Entwürfen jüdischer Modeschaffender auf die Beine zu stellen, müssen diese von weither kommen.
So war es am Donnerstag, als Mode zum ersten Mal ein Programmpunkt der Jüdischen Kulturtage war. „Weil sie Teil der Kultur ist“, sagte Intendant Avi Toubiana. Und weil man so einen Bogen von der Vergangenheit in die Gegenwart schlagen kann. Vier Designer und Designerinnen aus Israel und eine aus der Ukraine, die seit dem Krieg in Essen lebt, waren eingeladen, ihre Mode in Berlin zu zeigen.
Zumindest für zwei von ihnen wurde es tatsächlich eine Reise in die Vergangenheit. Die Großmutter von Chana Marelus wurde in Berlin geboren und wuchs hier auf, bis sie im Zweiten Weltkrieg mit zwölf Jahren fliehen musste.
Die junge Modedesignerin aus Tel Aviv brachte ihre Mutter mit, die, wie ihre Tochter, zum ersten Mal Berlin besuchte. Zusammen schauten sie sich das Geburtshaus ihrer vor einem Jahr gestorbenen Mutter und Großmutter in der Grenadierstraße (heute Almstadtstraße) an. „Sie wäre sehr stolz, dass ich hier meine Mode zeige“, sagt Chana Marelus.
Und auch, weil ihre Enkelin eine ungewöhnliche Karriere gemacht hat. Mit 13 Jahren nähte sie ihre ersten Kleider für sich und ihre Freundinnen. „Irgendwann entwarf ich für völlig Fremde.“ Da sie in einer orthodoxen Gemeinde groß wurde, nähte sie Kleider, die strengen religiösen Regeln genügen mussten. Abend- und Brautkleider mit langen Ärmeln und Stoff bis zum Hals. „Modest Fashion“ wird das genannt.
Irgendwann bemerkte die Designerin, dass die Regeln sie zu sehr einengten. Jetzt macht sie auch Kleider, die die Vorgaben nur auf den ersten Blick erfüllen. Wie ein Kleid aus hunderten glänzenden Fäden, die erst in Bewegung Haut sehen lassen.
Autos am Laufsteg-Rand
Yaniv Persy überredete seinen Vater, mit ihm nach Berlin zu reisen. „Mein Großvater hat unfassbar unter dem, was die Deutschen meiner Familie angetan haben, gelitten.“ Der 44-Jährige ist einer der erfolgreichsten Designer Israels, der seine Abend- und Brautmode weltweit verkauft. Wenn man seine aufwendig mit Perlen bestickten Kleider Backstage auf der Stange hängen sieht, fühlt man sich sofort in die zwanziger Jahre zurückversetzt.
Dass die Mode in einem Autohaus gezeigt wurde, rückte sie näher an den Kommerz als an die Kultur. Ein Laufsteg, an dessen Rand Fahrzeuge stehen, lassen jede Modenschau wie ein begleitendes Damenprogramm aussehen.
Ausgleich schaffte der Komiker Oliver Polak, der seine Moderation mit „Ich bin’s, Harald Glööckler ohne Make-up“, begann. Immerhin trug er extra hässliche Turnschuhe von Balenciaga und ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Free Fashion Tips“. „In Bayern findet heute eine Fascho-Show statt, hier eine Fashionshow“, sagt er und nahm damit Bezug auf Hubert Aiwanger: „Die Taschenkontrolle gab es nicht wegen Waffen, sondern wegen Flugblättern.“
So machte Polak klar, wie viel Sinn es macht, nicht nur auf das schöne Jetzt zu schauen, sondern immer wieder an die Vernichtung der jüdischen Mode ab 1933 zu erinnern, von der sich Berlin bis heute nicht erholt hat.