Erste Comicverlage verabschieden sich von Buchmessen-Planung

Die Nachricht kam am Montagnachmittag. „Liebe Comic-Fans“, beginnt das Posting des Hamburger Carlsen-Verlags auf seiner Facebook-Seite, „schweren Herzens müssen wir euch mitteilen, dass wir in diesem Jahr nicht an der an der Leipziger Buchmesse teilnehmen werden.“

Angesichts der schwer einzuschätzenden Entwicklung der Pandemie, so heißt es in dem Posting weiter, stelle der Carlsen-Verlag den Gesundheitsschutz seiner Mitarbeiter*innen „über den Wunsch, in Leipzig endlich wieder mit Leser*innen und Comic-Fans zusammenzutreffen“.

Carlsen ist einer der größten deutschsprachigen Comicverlage mit einem umfangreichen Manga-Programm, das in Leipzig während der Buchmesse traditionell auf der dortigen Manga-Comic-Con eine große Präsentationsfläche belegt. „Wir hoffen sehr, dass die Messe im kommenden Jahr wieder unter anderen Bedingungen stattfinden kann“, teilt der Verlag auf Facebook mit.

Vergangene Woche hatte bereits der Manga-Verlag Tokyopop erklärt hat, wegen der aktuellen Lage in diesem Jahr nicht an der Leipziger Buchmesse und der Manga-Comic-Con vom 17. bis zum 20. März teilzunehmen.

Die „schnell steigenden Zahlen der Neuinfizierten und die sich ständig verändernden Einschränkungen lassen keine sorgenfreie Planung der Messe zu“, hieß es laut „Buchreport“ bei Tokyopop in Hamburg. Die Absage beziehe sich vorerst nur auf die Manga-Comic-Con. Alle weiteren Veranstaltungen des Jahres 2022 würden im Einzelfall und damit in Abhängigkeit vom Pandemie-Geschehen betrachtet.

Auch der Splitter-Verlag wird im März in Leipzig nicht dabei sein, war kürzlich beim Medienvertrieb PPM zu lesen, der die Splitter-Veröffentlichungen ausliefert.

Damit gehen die ersten Comicverlage einen Weg wie auch die Verlagsgruppe Penguin Random House, die am Montag ihre Buchmessen-Teilnahme abgesagt hat. Und das, obwohl die zum Wochenbeginn verkündete neue sächsische Corona-Notfallverordnung zahlreiche Lockerungen enthält und auch Messen und Kongresse bis auf Weiteres erlaubt.

„Die Leipziger Buchmesse wird bei uns kontrovers diskutiert“

Bei anderen deutschen Comicverlagen ist die Lage bezüglich der Leipziger Buchmesse derzeit noch ambivalent. Während manche bei einer Tagesspiegel-Umfrage vor einigen Tagen betonten, bis auf Weiteres an ihrer Teilnahme festhalten zu wollen, schlossen andere es nicht aus, ebenfalls ihre Teilnahme abzusagen.

„Die Leipziger Buchmesse wird bei uns seit geraumer Zeit kontrovers diskutiert“, teilte Dirk Rehm, Chef des Berliner Verlages Reprodukt, dem Tagesspiegel Mitte vergangener Woche mit. „Ich tendiere dahin, es Tokyopop gleichzutun und unseren Stand auf der Messe abzusagen.“

Endgültig werde er das mit seinem Team an diesem Dienstag besprechen. „Vor allem möchte ich auch sorgenfrei planen können und die Mitarbeiter auf der Messe nicht einer Ansteckungsgefahr aussetzen.“

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Dass manche Verlage sich mit der Entscheidung schwer tun, hängt neben der vielen Vorarbeit der eigenen Teams, die in den Leipzig-Auftritt bereits gesteckt wurde, auch an Vereinbarungen mit Autor*innen, die die Verleger*innen eingeladen haben. Im Falle von Reprodukt ist das die in Spanien lebende Zeichnerin Núria Tamarit, deren Buch „Toubab – Zwei Münzen“ dieser Tage bei Reprodukt auf Deutsch erscheinen soll.

Kurzfristige Änderungen möglich

„Wir halten derzeit noch an unserer Teilnahme fest, aber das kann sich natürlich kurzfristig noch ändern“, sagte der Chef des Ludwigsburger Verlages Cross Cult, Andreas Mergenthaler, dem Tagesspiegel Mitte vergangener Woche. Und am Dienstagmorgen bekräftigte er: „Aktuell bleibt es dabei.

„So oder so wird es dieses Jahr sicher ganz anders in Leipzig ablaufen als bislang“ , ergänzt Mergenthaler: „Mit Maske, ohne Gedränge beim Einlass oder bei Signierstunden, die sowieso nicht am Stand stattfinden dürfen.“

Sein Verlag hatte seinen bislang letzten Messe-Auftritt Ende November bei der Comic Con Stuttgart. „Da ging alles gut und auch die Besucher waren rücksichtsvoll und vorsichtig“, erinnert sich Mergenthaler. „Aber das war vor der aktuellen, großen Welle.“

[Die Comicbranche kam im vergangenen Jahr überraschend gut durch die Corona-Krise – mit Ausnahme eines Bereichs. Mehr dazu in diesem Tagesspiegel-Artikel.]

„Wir planen weiterhin in Leipzig unseren Stand, sogar größer als letztes Jahr“, sagte Johann Ulrich, Chef des Berliner avant-Verlages, vergangene Woche. Aus seiner Sicht besonders ärgerlich ist in diesem Jahr, dass das Festival International de la Bande Dessinée d’Angoulême, das größte Comicfestival Europas, wegen Corona vom Januar in den März verlegt wurde und jetzt zeitgleich mit der Leipziger Buchmesse geplant ist.

„Wir behalten die Corona-Entwicklung im Auge und werden unsere Entscheidung gegebenfalls anpassen“, sagte Steffen Volkmer, Sprecher des Panini-Verlages, der vergangene Woche auch noch von einer Leipzig-Teilnahme ausging.

Vorfreude auf ein paar ganz besondere Tage

Auch beim Egmont-Verlag war man vor ein paar Tagen noch optimistisch: „Wir sind fest entschlossen, Egmont Manga dieses Jahr erstmals wieder in Leipzig zu vertreten“, sagte Programmleiter Michael Cheng dem Tagesspiegel vergangene Woche. „Wir arbeiten mit unserem Standbau-Team an besonderen Vorkehrungen, um die Hygienekonzepte umzusetzen und gemeinsam mit den Besucher:innen ein möglichst sicheres Messeerlebnis zu feiern.“

Jedem im Team sei es dabei freigestellt, aufgrund der Lage auf eine Teilnahme zu verzichten – aktuell sei die Mehrheit dafür. Cheng: „Sollten es die Fallzahlen weiterhin erlauben, könnten das nach zwei Jahren Abstinenz ein paar ganz besondere Tage werden.“

Wie begründet dieser Optimismus ist, wird sich wohl in Kürze zeigen. Im Buchhandels-Fachmagazin „Börsenblatt“ wurde am Montag bereits spekuliert, dass die Leipziger Buchmesse dieses Jahr wegen Corona erneut „vor dem Aus“ stehe. Andererseits hatten noch wenige Tage vorher nach einer von der Messe durchgeführten Umfrage fast alle angemeldeten Aussteller angegeben, trotz der Planungsunsicherheit an ihrem Auftritt festhalten zu wollen.