„Mutti, was machst du da?“ : Axel Ranischs und Paul Zachers Adventskomödie am BE

„Mutti, was machst du da?“ Gute Frage! Passend ist sie jedenfalls immer an diesem gleichnamigen Abend von Axel Ranisch und Paul Zacher im Neuen Haus des Berliner Ensembles. Ganz gleich, an welche der drei Mütter sie sich richtet, die hier wechselweise aus dem Wohnturm der Ausstatterin Saskia Wunsch herausschauen.

Da wäre, erstens, Evelyn, die diese Frage allerdings beim besten Willen nicht beantworten kann, weil sie de facto längst aufgehört hat zu wissen, was sie tut – oder besser: was sie gerade getan hat. Denn Evelyn – von Tilo Nest als kapriziöse Großmutter-Type mit sexpositiver Aura und unerschütterlichem Fashion-Bewusstsein aufs Szenario gedonnert – leidet unter Altersdemenz.

Dann hätten wir, zweitens, Elke, Evelyns Tochter, deren Bewusstsein fürs eigene Tun ebenfalls empfindliche Mängel aufweist, wenn auch in einem gänzlich anderen Sinn. Elke, die auf der Bühne gern mal gegen einen Sandsack boxt, muss man sich als personifiziertes Bollwerk gegen jedweden Achtsamkeitstrend vorstellen.

Knochentrockene Lakonik

Elke ist eine, die ihrem Sohn Anton, einem sensiblen Studenten der Musikwissenschaft, mal eben zwischen zwei Sandsack-Schlägen das Wohnrecht entzieht: „Anton, du musst ausziehen, ich hab‘ schon mit siebzehn nicht mehr bei Mutti gewohnt.“ Die knochentrockene Lakonik, mit der Constanze Becker diese raubeinige Frau mit dem zuletzt dann doch – na klar – butterweichen Herzen spielt, ist eine große Freude.

„Mutti, was machst du da?“ könnte sich schließlich, drittens, auch Astrid fragen lassen, die Mutter von Antons Angebetetem Pepe. Denn Astrid – von Kathleen Morgeneyer im leicht hippiesken Floralmotiv-Kleid auf die Bühne getänzelt – gehört zu jenem Menschentypus, den man immer mal wieder aus seiner sympathisch verpeilten Entrücktheit zurückholen muss. Selbst auf die Gefahr hin, damit eine unkalkulierbare Reaktion auszulösen.

Mehr noch als mit ihren jeweiligen Müttern respektive Müttersmüttern haben Anton und Pepe selbstredend miteinander zu tun: Ersterer, aus dem Stefanie Reinsperger einen ultraromantischen Trainingsjackenträger mit der mutmaßlich kompromisslosesten Liebesbereitschaft unter der Sonne herausholt, leidet sehr, dass letzterer, dem Max Gindorff einen angemessen impulsiven Charme spendiert, sich immer wieder entzieht.

Ein Hund als Psychologe

Warum, das weiß zunächst nur Pepes Hund Blümchen (Jonathan Kempf), ein hochbegabtes Tier mit mehr als Grundkenntnissen auf dem Fachgebiet der menschlichen Psychologie. Und, natürlich, der Wohnungsverwalter Manfred – der bei Martin Rentzsch jede Sachbearbeiterhaftigkeit fahren lässt, wenn ihm die schön-entrückte Blumenkleid-Astrid über den Weg läuft, die ihrerseits natürlich ebenfalls ein hartes Geheimnis verbirgt.

Wem dieses Personal bekannt vorkommt, das der Regisseur Axel Ranisch – Schöpfer gefeierter Filme wie „Dicke Mädchen“ (2011) oder „Ich fühl mich Disco“ (2013) – und der Autor Paul Zacher hier ans BE verpflanzt haben, darf sich bestätigt fühlen. Evelyn, Elke, Blümchen und Co. – sie alle treten auch in der autobiografisch inspirierten Hörspielreihe „Anton und Pepe“ auf, den das künstlerische wie Ehe-Paar Ranisch/Zacher 2021 kreierte.

Beim Theater-Debüt der beiden präsentiert sich diese Liebes- und Familiengeschichte nun als warmherzig-versöhnliche Komödie, die sich bestens in den vorweihnachtlichen Besinnlichkeitsimperativ einpasst: ohne falsche Töne, aber auch ohne nennenswerten Tiefgang, unterhaltungswillig aus bekannt-bewährten Versatzstücken gezimmert und letztendlich grunderbaulich bis zur finalen Botschaft, dass sich alle Probleme lösen lassen, wenn man einander nur liebt.

Und so – als versöhnliche Adventskomödie, bei der man passenderweise gern mal unvermittelt in den Gesangsmodus schaltet –, funktioniert „Mutti, was machst du da?“ auch. Nicht zuletzt, weil das Ensemble – das BE hat ja hier einige seiner veritablen Stars aufgeboten – an diesem Abend offenbar selbst ziemlichen Spaß hat.

Nächste Vorstellungen vom 15. bis 17. Dezember (ausverkauft) sowie am 15. und 16. Januar.