Elsa Dreisig begeistert beim Silvesterkonzert
Im Schweizer Exil schreibt Richard Strauss 1948 sein Weltabschiedswerk, die später von Verlegerhand so benannten „Vier letzten Lieder“. Sie sind für Sopran und großes Orchester bestimmt. Noch einmal huldigt der Komponist dem Ideal der hohen Frauenstimme, die seinen Opern ihren Glanz gab. Während die Entwicklung der Musik neue Bahnen verfolgt, hält Strauss Rückschau auf die versunkene Zeit. Die Rezeptionsgeschichte der Lieder aber bekundet die Unentrinnbarkeit ihrer Wirkung.
Elsa Dreisig singt sie im Silvesterkonzert der Staatsoper Unter den Linden, und die erfüllte Schweigeminute nach dem Verklingen der Zeile „Ist dies etwa der Tod?“ spricht für sich. Die Sängerin, die aus dem Opernstudio der Staatsoper hervorgegangen ist, erobert gegenwärtig die großen Bühnen. Unter den zahllosen Interpretationen der Hesse- und Eichendorff-Vertonungen gelten bisher die von Elisabeth Schwarzkopf und Jessye Norman als führend. Bei Elsa Dreisig klingen sie wieder neu.
Eine Gipfelleistung der jungen Sopranistin
Ihr Gesang feiert die unendliche Kantilene, die mühelos über dem Orchester schwebt. Das metallische Timbre gestattet eine instrumentale Führung der Stimme, ohne den Wortinhalt zu verflachen. So fasziniert der Gesang mit weiten Melodiebögen und betritt ehrfürchtig den „Zauberkreis der Nacht“. Eine Gipfelleistung. Im Orchester leuchtet das Kolorit der Partitur, während Dreisig den Vogelgesang nachahmt. Mit dem Triller der Lerchen verliert sich die Musik, die Andrés Orozco-Estrada behutsam dirigiert.
Als Strauss 1898 die Tondichtung „Ein Heldenleben“ komponierte, war er königlich-preußischer Hofkapellmeister. Über seine Identifikation mit dem Helden des Werkes gehen die Meinungen auseinander, nicht aber über die Virtuosität in der Behandlung des Orchesters. Der kolumbianische Maestro Orozco-Estrada befeuert die Musik mit exakter Schlagtechnik und freut sich des Klangkörpers Staatskapelle. „Des Helden Widersacher“, die kleinen Beckmesser, werden ironisch besiegt und die Schlachtmusik auf der „Walstatt“ dröhnt in kontrolliertem Lärm.
Über “Des Helden Gefährtin” aber, das Porträt seiner Frau, äußert sich Strauss in einem Bericht von Romain Rolland: „Elle est très complexe, très femme, un peu perverse, un peu coquette.“ Entsprechend kapriziös klingt das Violinsolo bei dem hervorragenden Konzertmeister Lothar Strauß, aber auch schwelgerisch und seidig im Ton.