Eine ganz Große verlässt den Fußball
Es waren berührende Worte, die Viktoria Schnaderbeck an das Publikum richtete. „Heute ist kein leichter Tag, es ist ein emotionaler Tag“ sagte sie am Mittwoch bei einer Pressekonferenz, während sie sichtlich mit den Tränen kämpfte. Die Entscheidung sei schon länger in ihr gereift und letztlich habe sie sich dazu entschieden, ihre Karriere zu beenden. „Mein Gefühl hat mir einfach gesagt, dass es der richtige Zeitpunkt ist. Ich wollte immer selbstbestimmt gehen.“
Schnaderbeck hat den österreichischen Fußball geprägt wie keine andere. Als einziges Mädchen unter Jungen begann sie im Alter von sieben Jahren beim TSV Kirchberg/Raab, zuvor hatte sie vor allem mit ihrem Bruder im Garten trainiert, „bis Mama uns irgendwann zum Essen reingerufen hat“.
Mit gerade einmal 16 Jahren ging es für sie dann zur zweiten Mannschaft des FC Bayern München – eine Zeit, die von Heimweh und der ersten größeren Verletzung geprägt war. „Mit 17 drohte mir bereits das Karriereende“, sagt sie rückblickend. Zugleich lernte sie in diesem Moment: „Nichts ist selbstverständlich. Deshalb nimm jeden Moment, den der Fußball dir schenkt.“
Und Schnaderbeck nahm jeden sportlichen Moment als Geschenk – ihr Debüt bei der Nationalmannschaft 2007, ihren erster Auftritt als Kapitänin, die mehrmaligen Deutschen Meistertitel mit dem FC Bayern München und schließlich das Championat mit Arsenal.
Im Umgang mit Verletzungen, Operationen und Reha wurde sie dabei immer routinierter. Insgesamt acht Knieoperationen musste sie sich unterziehen, selbst bei der Europameisterschaft in England, „der höchsten Bühne, die der europäische Frauenfußball bisher erlebt hat“, musste sie noch zittern.
Trotzdem kam sie jedes Mal zurück – und ging dabei immer wieder über ihre eigenen körperlichen Grenzen. Das wurde auch in ihrer Verabschiedung mit 32 Jahren deutlich, als sie nicht nur über physische Herausforderungen sprach, sondern außerdem ergänzte, dass es mental gesehen viele Tage gegeben habe, an denen sie „wenig Energie hatte, weil die Verletzungen viel Kraft kosteten“.
Schnaderbeck hat es im Laufe ihrer Karriere weit aus dem Berndorfer Garten bis hin zur EM nach England geschafft, aber dabei nie ihre Wurzeln aus den Augen verloren. Das wurde besonders deutlich, als sie 2019, während ihrer Zeit bei Arsenal, in ihre Heimat zurückkehrte und sich als homosexuell outete, weil sie sich dort sicher und geborgen fühlte, wie sie gegenüber dem Tagesspiegel erzählte.
„Das war mir für mich wichtig, ich habe dann gemerkt, was für ein Sog das ist.“ Auch in ihrer Abschiedsrede bedankte sie sich ausführlich bei ihrem Jugendverein und ihrer Familie, die ihr vorgelebt habe, „dankbar zu sein für das, was man hat“.
Schnaderbeck hat ihre Reichweite aber auch genutzt, um andere Menschen zu ermutigen, in Vorträgen sprach sie über ihr eigenes Coming-out und machte sich in den sozialen Medien gegen Diskriminierung stark.
Insofern hat nicht nur Schnaderbeck besondere Momente vom Fußball geschenkt bekommen, sie hat ihm mindestens genau so viele zurückgegeben – und diese werden nachwirken.