Ein zweites Mal Opfer unserer Schaulust

Eigentlich ist die Bezeichnung found footage bei Diana Spencer, Prinzessin von Wales, irreführend. Man muss nicht lange suchen, von „Lady Di“ existieren so viele Bilder, dass es – gerade in jüngster Zeit wieder – schwer ist, ihr zu entkommen. Die Enthüllung um das unter Vorspiegelung falscher Tatsachen erzwungene BBC-Interview mit dem Journalisten Martin Bashir von 1995, die Netflix-Serie „The Crown“, zuletzt das Biopic „Spencer“ mit Kristen Stewart: 25 Jahre nach ihrem Tod ist die Popikone Lady Diana, die am Freitag 61 Jahre alt geworden wäre, tatsächlich unsterblich.

Kein Aspekt ihrer Lebensgeschichte (erst ein Märchen mit einer echten Prinzessin, schließlich ein royaler Albtraum), der nicht bereits von allen Seiten durchleuchtet wurde.

Trotzdem ist Ed Perkins Dokumentarfilm „The Princess“ in diesem Moment der Diana-Rezeption die vielleicht einzig mögliche Form, um noch einmal den Mythos, die Selbststilisierung, aber auch die öffentliche Demontage von Diana Spencer Revue passieren zu lassen. Der britische Regisseur arbeitet dafür ausschließlich mit zeitgenössischem Material (Fernsehbildern, Nachrichtenbeiträgen, Interviews mit Paparazzi und Bürger:innen): nicht unbedingt, um seiner Protagonistin näher zu kommen, sondern um ein Zeitbild festzuhalten, in dem das Königshaus – nachdem es lange als Zielscheibe für die Punk-Bewegung gedient hatte – plötzlich einen ungeahnten Pop-Moment erlebte.

Und sich dabei als derart entfremdet von „seinem“ Volk entpuppte, dass der Imageschaden beträchtlich war. Spätestens als die arrangierte Ehe zwischen Charles und Diana öffentlich wurde, hatte das Haus Windsor seinen guten Ruf auch bei treuen Monarchisten eingebüßt.

Diana genoss die Aufmerksamkeit der Fotografen

„The Princess“ ist vor allem deswegen so interessant, weil er nicht aus heutiger Sicht auf die Windsor-Seifenoper blickt, sondern mit zeitgenössischen Kommentaren arbeitet. So stellt sich beim Publikum unwillkürlich auch eine Komplizenschaft ein, wie es zuletzt schon bei der Netflix-Produktion „Gladbeck: Das Geiseldrama“ von Volker Heise der Fall war, der ebenfalls Nachrichtenmaterial benutzt. Man macht sich ein zweites Mal einer Schaulust schuldig, mit der schon vor über dreißig Jahren viele Menschen sehr viel Geld verdient haben – und darüber auch ungeniert vor der Kamera redeten.

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(In den Berliner Kinos b-ware!, Central, Tilsiter Lichtspiele, Union, Zoo Palast, OmU)

Selbst wenn Diana die Aufmerksamkeit der Fotografen genossen hat (und diese unter anderem für ihre Wohltätigkeitsprojekte nutzte), war die Promi-Hetzjagd, an die „The Princess“ noch einmal erinnert – und die schließlich auch zu ihrem Tod führte – nicht zu entschuldigen. Auch das ist eine Parallele zum Gladbecker Geiseldrama: Die Medienkritik, die in den Bildern von damals mitschwingt, hat heute nichts von ihrer Gültigkeit verloren.

Für einen schönen medienreflexiven Moment in „The Princess“ sorgt ausgerechnet Prince Charles – in einer Szene, die die Bezeichnung „Fundstück“ wirklich verdient. Dem kleinen William erklärt er die Funktionsweise einer Filmkamera mit den Worten: „Da sind Menschen drin. Sieh sie dir an. Sie sind darin gefangen.“ Besser lässt sich auch das britische Königshaus kaum beschreiben.