Ein Sieg für den Bundestrainer: Flick macht gegen Spanien alles richtig
Sergio Busquets misst stattliche 1,89 Meter, aber Statur ist bei ihm nicht nur eine Frage der Körpergröße. Der Kapitän der spanischen Fußball-Nationalmannschaft, 34 Jahre alt, ist gestählt in vielen Kämpfen und veredelt mit ungezählten Titeln. Am Sonntagabend aber, in der zweiten Halbzeit des WM-Spiels gegen Deutschland, half ihm das auch nichts.
Bei einer Ecke für die Deutschen versuchte er auftragsgemäß seinem Gegenspieler Antonio Rüdiger zu folgen. Er drehte sich, lief los – und zerschellte am imposanten Bizeps von Leon Goretzka. Der Mittelfeldspieler der Deutschen wankte nicht, er zitterte nicht einmal, während Busquets mit Schmerzen zu Boden sank.
„Es waren Krieger auf dem Platz“, sagte Bundestrainer Hansi Flick nach dem 1:1-Unentschieden seiner Mannschaft gegen Spanien, das die Chance auf den Einzug ins Achtelfinale der WM am Leben hielt. „Es ist gigantisch, was die Mannschaft heute geleistet hat. Ich bin wirklich auch stolz.“
Hansi Flick ist nicht der Typ, der gern über sich redet. Das Wir ist ihm generell lieber als das Ich, und natürlich hat er sich am Sonntagabend nicht selbst gelobt. Dabei wäre das durchaus möglich gewesen.
71
Prozent seiner Zweikämpfe gewann Leon Goretzka
Die Niederlage gegen Japan zum Auftakt der WM ist auch ein bisschen zu einer Niederlage des Bundestrainers umgedeutet worden. Die Besetzung der Viererkette mit Niklas Süle als Rechtsverteidiger und Nico Schlotterbeck in der Mitte, dazu die Aus- respektive Einwechslungen Mitte der zweiten Hälfte: All das hatte einen nicht unerheblichen Einfluss auf den Ausgang des Spiels.
Nach dieser Logik war das Unentschieden gegen Spanien aber auch so etwas wie ein Sieg des Bundestrainers: Hansi Flick hatte alles richtig gemacht. Und dass die Mannschaft nach dem 0:1-Rückstand noch zu einem, womöglich überlebenswichtigen Punkt kam, das war auch auf seine Entscheidungen während des Spiels zurückzuführen.
Gegen Japan hatte Flick Mitte der zweiten Halbzeit den grummelnden Leon Goretzka für den überzeugenden Ilkay Gündogan eingewechselt. Er wollte die geschundene Seele des ehrgeizigen Münchners noch ein wenig streicheln, aber für die Statik im deutschen Spiel erwies sich Flicks Akt der Barmherzigkeit als eher kontraproduktiv.
Trotzdem stand Goretzka gegen Spanien in der Startelf. Weil Flick die Frage Goretzka oder Gündogan mit Goretzka und Gündogan beantwortet hatte.
Gündogan rückte auf die Zehn, Goretzka und Joshua Kimmich bildeten wie bei Bayern München die Doppelsechs. Unter all den Kriegern in Flicks Mannschaft war Leon Goretzka mit Abstand der forscheste: unbeugsam und furchtlos. 71 Prozent seiner Zweikämpfe gewann er im Mittelfeld, dort, wo die Spiele entschieden werden und die Spanier unter normalen Umständen ihre Überlegenheit generieren.
„Es war herausragend, was die drei geliefert haben“, sagte Danny Röhl, Flicks Assistent, am Morgen nach dem Spiel. „Wir brauchten Balleroberungen, wir brauchten Aggressivität.“ Mit Goretzka (und Kimmich) bekamen sie Balleroberungen und Aggressivität.
Es ist gigantisch, was die Mannschaft geleistet hat.
Hansi Flick, Bundestrainer
Es war der Schlüssel dafür, dass die Deutschen den immensen Herausforderungen des Abends letztlich erfolgreich trotzen konnten. „Spielerisch war es nicht immer die ganz saubere Klinge“, sagte Thomas Müller. „Es war eine Energieleistung. Man hat der Mannschaft angesehen, wovon immer gesprochen wird: Wille, Teamgeist und so weiter und so fort.“ Auch und gerade nach dem Führungstreffer der Spanier. Die Nationalmannschaft fiel nach dem 0:1 nicht in sich zusammen, sondern straffte sich noch einmal.
Der Rückstand sei „sehr schwierig zu verpacken“ gewesen, sagte Goretzka. „Da noch mal wiederzukommen, das erfordert eine große Mentalität.“ Und die richtigen Entscheidungen von außen. Flick wechselte gleich nach dem 0:1 Lukas Klostermann, Leroy Sané und Niclas Füllkrug ein. An dem Spielzug, der letztlich zum 1:1 führte, waren alle drei beteiligt.
Später kam auch Nico Schlotterbeck noch ins Spiel, der gegen Japan am Ende so unglücklich ausgesehen hatte. Vor dem 1:2 leistete er dem Torschützen Takuma Asano nur freundlichen Geleitschutz, mutmaßlich mit dem Gedanken im Hinterkopf, nicht schon wieder einen Elfmeter zu verschulden.
Gegen Spanien sah sich der Dortmunder Verteidiger kurz vor Schluss einer ähnlichen Situation ausgeliefert. Alvaro Morata befand sich im deutschen Strafraum in aussichtsreicher Position. Nico Schlotterbeck setzte todesmutig zur Grätsche an, traf den Ball und klärte zur Ecke.
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