Ein Deutscher will Florenz regieren: Kunstsinn und Stadtpolitik

Seine Bilanz als Direktor von Italiens womöglich wichtigsten Kunsttempel ist eindrucksvoll: Eike Schmidt, vor 56 Jahren in Freiburg geboren, brachte in acht Jahren im Amt die Besuchszahlen der Uffizien nach oben, modernisierte ihr Management und organisierte in Florenz Ausstellungen, die Publikumserfolge wurden.

Ob auch sein neues Vorhaben ein Erfolg wird, ist fraglich. Am 9. Juni, wenn Florenz nicht nur für Europa, sondern auch über ein neues Stadtoberhaupt abstimmt, will der Deutsche, der seit 2023 auch den italienischen Pass hat, Bürgermeister werden. Ausgerechnet jenes Rechtsbündnis hat ihn aufgestellt, das auch in Rom regiert und dem man den Kunsthistoriker politisch nicht zugerechnet hätte.

Florenz ist traditionell eine Festung des Mitte-Links-Lagers, die jüngsten Umfragen sehen die Kandidatin des sozialdemokratischen Partito democratico (PD) Sara Funaro in ordentlichem Abstand von sieben Prozentpunkten zu Schmidt. Die 47-Jährige hat gleich ein Bündel Trümpfe in der Hand: Sie ist gebürtige Florentinerin, sie hat im Unterschied zu Schmidt auch Erfahrung in der Stadtpolitik.

Seine Konkurrentin konnte leichte Punkte machen

Zehn Jahre lang amtierte sie als Dezernentin für Wohnen, Gesundheit, Integration und Gleichstellung. Und sie hat einen legendären Großvater, der im Falle ihres Wahlsiegs auch einer ihrer Vorgänger wäre: Piero Bargellini war Bürgermeister während der Jahrhundertflut von 1966, die neben Menschenleben auch viele Kunstschätze in Florenz zerstörte.

Die erste Frau als Stadtoberhaupt würde Funaro ebenfalls, würde sie gewinnen. Sie ist Jüdin wie ihr Vater, stolz auf ihr multireligöses Elternhaus und ihr Engagement für Minderheiten und Randgruppen seit ihrer Jugend.

Gegen den politisch vergleichsweise unerfahrenen Schmidt konnte Funaro bisher leicht punkten. Als er dafür plädierte, eine neue Straßenbahn unter die Erde zu verlegen und dafür den Schutz des Straßengrüns anführte, handelte er sich Spott der Konkurrenz ein: Er habe wohl übersehen, dass Tunnel den Tod von Bäumen bedeuten würden. Auch der Versuch, einen Cousin der Konkurrentin mit dem Verschwinden eines Kindes in einem besetzten Haus in Verbindung zu bringen, ging nach hinten los: Der Cousin, der früher Häuser besetzte, war 2017 gestorben.

Dennoch ist Schmidts Kandidatur schon jetzt ein Gewinn für die Rechte. Und vermutlich auch für ihn selbst: Schmidts Vorliebe für Italien als Wohn- und Arbeitsort – seine Frau arbeitet in Venedig – ist spätestens seit 2019 bekannt. Da sagte er kurzfristig den längst feststehenden Wechsel an die Wiener Albertina ab, als der Kulturminister, damals ein PD-Mann, seinen Vertrag in Florenz verlängerte.

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Jahre lang, von 2015 bis 2023, leitete Eike Schmidt als erster Deutscher die weltberühmten und vielbesuchten Kunstsammlungen der Uffizien in Florenz.

Mit der zweiten Amtszeit war nun in den Uffizien für ihn Schluss. Inzwischen aber hat die Regierung Meloni Schmidt zum Leiter des ebenfalls bedeutenden Museums Capodimonte in Neapel gemacht. Dabei hatte noch vor einem Jahr Melonis Kulturminister Gennaro Sangiuliano den Deutschen böse attackiert. Doch schon kurz darauf wurde daraus bestes Einvernehmen, es folgten erste Gerüchte über Schmidts Bürgermeisterkandidatur auf dem Ticket der Rechten und recht bald der Job in Neapel.

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Die Florentiner Rechte ihrerseits, die auf ihrer Stadtratsliste auch einen verurteilten Rassisten hat, kann hoffen, dass ihr Kandidat Schmidt der Linken einen Teil des guten Bürgertums von Florenz abspenstig macht. Die Umfragezahlen der Rechten sind jedenfalls besser als bei der vorigen Wahl 2019.

In der Stichwahl wäre Schmidt nicht aussichtslos

Dann gibt es da noch die Stichwahl. Dass das neue Stadtoberhaupt bereits im ersten Wahlgang feststeht, ist so gut wie ausgeschlossen. Im zweiten könnten Wahlempfehlungen der unterlegenen Kandidatinnen und Kandidaten den Ausschlag geben. Zumindest die aktuelle Nummer drei der Umfragen schließt eine Empfehlung für Schmidt nicht aus.

Im Falle seiner Rückkehr nach Neapel würde Schmidt erst einmal gut Wetter machen müssen: In Capodimonte kam es offenbar nicht gut an, dass der neue Direktor, kaum ein paar Wochen im Amt, schon wieder Urlaub für den Wahlkampf in Florenz beantragte. Das Museumspersonal sammelte Unterschriften gegen ihn.

Auch sein jüngstes Flugblatt machte im Süden Ärger: „Florenz ist nicht Torre del Greco“ hieß es dort unter Hinweis auf die „kümmerlichen Bäumchen“, die die scheidende Florentiner Stadtregierung unter Dario Nardella habe pflanzen lassen. Nardella stammt aus Torre del Greco – und die Stadt liegt im Großraum Neapel.

Kommentar des dortigen Bürgermeisters: Schmidt werfe „für eine Handvoll Stimmen Dreck“ auf eine Landschaft, die er doch behaupte zu lieben. Man könnte hinzufügen: Und wo er bald wieder leben wird.