Die Woche: Kreativität oder Ausbeutung?

Die Diskussion zur Frage, ob Künstliche Intelligenz bereits jetzt die Kreativität des Menschen in den Schatten stellen kann, hat in den vergangenen Wochen in den sozialen Medien Fahrt aufgenommen. Auslöser war unter anderem eine Kampagne des Mauritshuis in Den Haag. Deren berühmtes Gemälde „Mädchen mit den Perlenohrringen“ ist derzeit als Leihgabe im Rijksmuseums. Um den leeren Platz im eigenen Haus zu füllen, rief das Mauritshuis dazu auf, eigene Interpretationen des Bildes zu schaffen.

Von den knapp 3500 Einsendung sind 170 in digitaler Form im Museum zu sehen. Fünf der Werke wurden ausgedruckt und an den Platz des Originals gehängt, darunter eine Interpretation von Julian van Dieken. Das Streitbare an der Entscheidung: Von Dieken selbst gab mit Einsendung des Werkes und auf Instagram und LinkedIn bekannt, dass das Kunstwerk mithilfe von MidJourney, einem auf Künstlicher Intelligenz basierenden Programm und Photoshop kreiert wurde.

Die Entscheidung des Museums, genau dieses Werk so prominent zu platzieren, wurde nicht von allen goutiert. Die intensive Debatte auf den sozialen Medien dreht sie sich im Kern um die Frage, ob bei einer solch kreativen Kampagne, ein Kunstwerk ausgezeichnet werden sollte, das mithilfe von Künstlicher Intelligenz erstellt wurde. Es sei, so manche Stimmen, eine Beleidigung von Vermeer höchstpersönlich und von Künstlern und Künstlerinnen weltweit. Van Dieken selbst, der sich als „digital creator“ bezeichnet, feiert hingegen die Entscheidung der Hängung eines solchen Werkes in einem Museum als einen bemerkenswerten Moment in der Kunstgeschichte.

Künstliche Intelligenz basiert auf primitiver Akkumulation

Es gibt andere Beispiele: Das in Sydney basierte Team „Absolutely AI“ wollte im Bereich der Fotografie ihre These beweisen, dass die Technologie der Künstlichen Intelligenz an einem Wendepunkt angelangt war. Im Zuge des Wettbewerbs sollte geprüft werden, wer besser ist: Mensch oder Maschine. Sie luden Fotografen wie auch Entwickler, die ausschließlich mit künstlicher Intelligenz arbeiten, dazu ein, ihre besten Werke einzureichen. Eine Expertenjury aus Fotografen sollte dann das beste Werk auswählen, ohne zu wissen, wer der „Meister“ dahinter war. In diesem Fall gewann noch einmal der Mensch.

Sind wir wirklich an diesem Wendepunkt angekommen? Menschliche Kreativität versus künstliche Kreativität? James Bridle, britischer Technologieautor, sieht keine Ebenbürtigkeit und wies im „Guardian“ unter dem Titel „The stupidity of AI“ auf die pure primitive Akkumulation hinter KI-Bild- und Texterzeugung hin. Die großen Tech-Firmen haben sich in die persönlichsten und kreativsten Bereiche unseres Lebens eingeschlichen und unsere Daten gesammelt. Nun verkaufen sie uns unsere Träume zurück, verpackt als „Intelligenz“ von Maschinen, so Bridle.

Man kan von einer intelligenten Ausbeutung menschlicher Schaffenskraft sprechen

Künstliche Intelligenz wird die Abläufe künstlerischen Schaffens verändern – daran besteht kein Zweifel. Anders als Photoshop, wird Künstliche Intelligenz auch mit menschlichen Gefühlen, Emotionen und Stimmungen gefüttert. Dies wird es ihr ermöglichen, die Welt auf immer tieferen und überzeugenderen Ebenen zu gestalten und zu beeinflussen. Macht sie dies intelligent? Auf eine Art. Macht es sie kreativ in einem originären Sinne? Wohl kaum. Eher lässt sich von einer intelligenten Ausbeutung menschlicher Schaffenskraft sprechen.

Katrin Sohns ist Ressortleiterin Kultur und blickt an dieser Stelle im Wechsel mit Gerrit Bartels auf aktuelle Debatten der Woche.

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