Die Bühne gehört euch!
„Zwei Jahre Pandemie“, sagt Susanne Rode-Breymann, „das entspricht der Länge eines halben Bachelor-Studiums oder eines kompletten Masters.“ Alle Studierenden hatten es seit März 2020 schwer, doch diejenigen im Bereich Musik litten ganz besonders – weil sie doch auf den direkten Kontakt mit ihren Professor:innen angewiesen sind, auf den Eins- Zu-Eins-Austausch im Unterricht.
Umso wichtiger ist es, betont die Vorsitzende der Rektorenkonferenz der deutschen Hochschulen am Sonntag im Konzerthaus, dass Wettbewerbe auch in diesen Pandemiezeiten stattfinden können. Auch wenn das die Organisatoren vor enorme Herausforderungen stellt.
Mit vereinten Kräften aber haben sie es jetzt hinbekommen, in Berlin den Felix Mendelssohn Bartholdy Hochschulwettbewerb durchzuführen, live vor Ort für das Fach Klavier, auf digitaler Ebene für das Fach Komposition. Bis 1879 reichen die Wurzeln zurück bei dieser Traditionsveranstaltung, die mittlerweile allen Nachwuchsprofis offensteht, die an deutschen Musikhochschulen eingeschrieben sind.
Jeder Auftritt zählt für die jungen Profis
Ausrichter ist die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, an der Universität der Künste gab es seit dem 12. Januar die Wertungsrunden, und das Konzerthaus stellt für das Abschlusskonzert sowohl seinen großen Saal wie auch sein Orchester zur Verfügung.
„Bühnenpräsenztraining“ nennt Susann Rode-Beymann die Auftrittsmöglichkeiten für den Nachwuchs, und weil möglichst viele der Teilnehmenden den festlichen Rahmen am Gendarmenmarkt genießen können sollen, darf nicht nur Jeonghwan Kim, der Sieger im Fach Klavier, auf die Bühne, sondern auch die Zweitplatzierte sowie die beiden Drittplatzierten bekommen ihre Solo-Auftritte, also Jiyoung Kim, Youngho Park und Jinhyung Park.
Und außerdem Matteo Weber, der mit dem Sonderpreis für die beste Interpretation jenes zeitgenössischen Werks ausgezeichnet wurde, das Tatjana Komarova in Auftrag des Mendelssohn-Wettbewerbs geschrieben hat: Sein Titel lautet „Pas de two“, und Matteo Weber gestaltet es mit seinen zwei Händen tatsächlich als elegante tänzerische Szene.
Neue Werke von Zara Ali und Tamara Komarova
Auf andere Art verspielt gibt sich auch Zara Ali, die 1995 geborene Siegerin in der Kategorie Komposition. Die Mitglieder des Ensembles Earquake bewegen bei ihrem Stück „Behave“ die Köpfe roboterartig hin und her, wenn technoide Geräusche erklingen. Abstrakt bleiben auch die Töne, die sie ihren analogen Instrumenten entlocken, so dass, zusammen mit der Elektronik, eine verstörend-urbane Soundlandschaft entsteht.
Und dann kommt Jeonghwan Kim, 21 Jahre jung, geboren in Seoul, seit 2017 Student an der Berliner Hochschule für Musik „Hanns Eisler“. Wie er Mendelssohns 1. Klavierkonzert angeht, mühelos in seiner Virtuosität, beseelt in den sehnsuchtsvollen Melodien, das ist ebenso mit- wie hinreißend. So darf man sich wohl die Wirkung vorstellen, die einst das Wunderkind Felix im Mendelssohn’ schen Palais an der Leipziger Straße auf die Zuhörer hatte.
Hier bricht sich die schiere Musikalität Bahn, gepaart mit außergewöhnlichen technischen Fertigkeiten. Phantastisch wie Jeonghwan Kim mit größter Selbstverständlichkeit phrasiert, Struktur Klang werden lässt, wunderbar wie er im langsamen Satzes ganz bei sich ist. Er beherrscht nicht nur sein Instrument, er nutzt es als genuines Ausdrucksmittel, als Katalysator seiner Empfindungen. Und wird am Sonntag dabei ideal unterstützt vom Dirigenten Leslie Suganandarajah und einem Konzerthausorchester, dessen Musiker:innen von dieser Ausnahmebegabung ebenso angetan sind wie die Zuhörer.