Mein Sommer in Berlin: Kommt doch mal bei mir vorbei

„Warum räumst du nicht mal auf, fragt Isabelle, die mich heute, Sommer in Berlin, im Freiluftbüro besucht. Sie zeigt auf den Müll unter dem Tisch in der halb überwucherten Nische der Grünanlage am Vinetaplatz, Gesundbrunnen, Berlin-Wedding.

Rund um die Sitzgruppe liegen flachgetretene Capri-Sonne-Aluverpackungen, Plastikbecher, leere Haribo-Tüten, ein Pizzakarton und Zigarettenkippen.

„Mir gefällt die Müllidylle, Tiere kommen trotzdem zu Besuch“, sage ich und erzähle von der Amsel, die vormittags herumhüpft, von dem Eichhörnchen, das durch die Bäume klettert und von den beiden Ratten, ich weiß nicht, ob sie ein Paar oder Mutter und Tochter sind. „Gestern“, sage ich, „ist sogar eine Libelle auf dem Tisch gelandet, nicht weit von meiner Hand.“

Und als hätte ich sie zum Auftritt bestellt, krabbelt nun eine Maus aus dem Pizzakarton.

„Hunde kommen sicherlich auch vorbei“, sagt Isabelle.

„Viele, sehr viele. Meist angeleint, Herrchen oder Frauchen hinter sich herziehend. Und nicht wenige kenne ich vom Sehen.“

„Die Hunde oder die Halterinnen?“

„Beide, ich sitze ja oft genug hier, je nach Witterung und Arbeitslaune. Manchmal komme ich zu früh, und das Büro ist noch nicht frei. Oder ich komme zu spät, und es ist besetzt, es lässt sich nicht vorab buchen. Sitzen die Kartenspieler oder picknickende Familien im Freiluftbüro, weiche ich ins Vorzimmer aus, einen anderen festmontierten Tisch dieser Grünanlage.“

„Lustig, wir sind so nah am Mauerpark, und hier ist kein Mensch.“

„Neulich habe ich zwei Bären gesehen, Bärinnen, um genau zu sein.“

„Berliner Bärinnen? Tanzbärinnen?“

„Nein, es waren Mitglieder der Performancegruppe hannsjana, die Bärenköpfe aus Pappmaché trugen.“

„Ich finde, es sollte mehr freilaufende Bärinnen in Berlin geben“, sagt Isabelle. „Bärinnen und Wölfinnen.“

„Einen Fuchs habe ich schon vorbei spazieren sehen, vielleicht war es auch eine Füchsin. Und eine Nachtigall singen hören.“

Es raschelt im Müll. „Ich glaube die Maus kommt zurück“, sagt Isabell.

„Sie möchte Krümel von unserem Kuchen“, sage ich. „Sie hat die Pizzakruste aufgegessen.“

„Und was machst du, wenn ich nicht hier bin? fragt Isabell.

„Ich schreibe etwas über den Sommer im Freiluftbüro. Und wer mich hier so besucht.“

David Wagner ist Schriftsteller, zuletzt erschien von ihm „Verlaufen in Berlin“.