„Wir können von ihm lernen“: Auch ein Kane-Debüt konnte die schwache Form der Bayern nicht ausgleichen

Am Ende spulte Harry Kane noch ein paar Meter auf dem Rasen der Münchner Arena herunter, schlug sogar noch einen Haken auf die linke Seite zu Serge Gnabry. Da war der Supercup aber schon vorbei, der erste Titel der Saison für den FC Bayern verspielt – und damit auch die Chance des neuen Münchner Stürmers, endlich einmal einen Pokal mit zumindest etwas Symbolcharakter in den Händen zu halten.

Nein, der Kapitän der englischen Fußball-Nationalmannschaft war sich bei seinem Debüt im Münchner Trikot zu nichts zu schade. Er versuchte nach dem Abpfiff am Samstag, die Kollegen zu trösten, die verstreut auf dem Rasen standen, ging von einem zum anderen, um jeden freundlich am Arm zu tätscheln oder ihm die Hand zu reichen.

Während des Spiels bekam er allerdings kaum Gelegenheit, etwas für seinen neuen Klub zu tun. Auf drei Ballkontakte brachte es Harry Kane in den 30 Minuten, in denen er beim 0:3 gegen RB Leipzig auf dem Platz war. Nicht viel für einen, der mit bei einer Ankunft am Tag zuvor und auch im Stadion einen selbst für den FC Bayern ungewöhnlichen Hype ausgelöst hatte.

Dass Kane das Spiel an sich reißen und den Kollegen eine Lehrstunde in Sachen Effizienz vor dem Tor erteilen würde, damit war auch nicht zu rechnen. Er sei erst um drei oder vier Uhr ins Bett gekommen, sagte Trainer Thomas Tuchel, nach einem anstrengenden Tag mit neuen Eindrücken.

Fans warteten am Flughafen auf Kane

Am Abend zuvor waren viele Fans bei der Ankunft von Harry Kane am Flughafen in Oberpfaffenhofen gestanden, ebenso in der Klinik in München, wo der Kapitän der englischen Nationalmannschaft den Medizin-Check absolvierte, mit ein paar Stunden Verspätung, weil sein ehemaliger Arbeitgeber Tottenham Hotspur noch einmal hatte nachverhandeln wollen.

Fotografen und Fans versuchen durch eine verdunkelte Autoscheibe einen Blick auf Harry Kane bei seiner Ankunft zum Medizincheck an einem Krankenhaus zu erhaschen.
Fotografen und Fans versuchen durch eine verdunkelte Autoscheibe einen Blick auf Harry Kane bei seiner Ankunft zum Medizincheck an einem Krankenhaus zu erhaschen.
© dpa/Matthias Balk

Und sie warten auch am Trainingsgelände des FC Bayern, als Kane dort endlich zu sehr vorgerückter Stunde eintraf, um einen Vierjahresvertrag zu unterschreiben. Zwar ist er nicht der erste Spieler mit so etwas wie einem Superstar-Status, den der FC Bayern verpflichtete. Aber zu Zeiten der Ankunft von Franck Ribery, Arjen Robben oder Luca Toni in München gab es eben noch keine Smartphones, auf denen man per App den Flug des Privatjets mit Kane an Bord verfolgen konnte.

Die Zweifel ließen nicht auf sich warten

Es mag allerdings sein, dass Kane an seinem ersten Arbeitstag bei den Bayern gleich ein paar Zweifel kamen, ob er es eine gute Entscheidung war, seinen Heimatklub zu verlassen und zum deutschen Rekordmeister zu wechseln. Die Münchner zeigten im Pflichtspiel der Saison die gleichen Krankheitssymptome wie am Ende der vergangenen Saison. Es fühle sich so an, als ob es diese Vorbereitung nicht gegeben habe, gab Trainer Thomas Tuchel zu. 

Er denkt wahrscheinlich, wir haben hier vier Wochen nicht trainiert.

Thomas Tuchel, Bayern-Trainer

Kane selbst war überschwänglich gefeiert worden, schon als er im Stadion ankam und den Platz zum ersten Mal betrat. Erst recht, als er kurz nach Beginn der zweiten Hälfte zum Warmmachen hinter das Tor geschickte wurde. Zuvor hatte er auf der Bank zuschauen müssen, wie Daniel Olmo die Münchner Defensive zweimal düpierte und wie die bayerischen Offensivspieler dagegen vor dem Tor beste Chancen nicht verwerten konnten.

Missglückter erster Pflichtspielauftritt

Kurz nach Kanes Einwechslung in der 64. Minute fiel das 0:3, wieder war es Olmo, der einen von Noussair Mazraoui verschuldeten Handelfmeter verwandelte. Da hatte Kane noch nicht einmal den Ball berührt. „Er denkt wahrscheinlich, wir haben hier vier Wochen nicht trainiert“, sagte Tuchel bei „Sat.1“ nach dem missglückten ersten Pflichtspielauftritt der neuen Saison.

Für Tuchel war es „unerklärlich“, was der Rest des Teams gegen den Pokalsieger zeigte. „Die Diskrepanz zwischen Stimmung, Form und dem, was wir auf den Platz bekommen, ist riesengroß“. Er wirkte ähnlich ratlos wie im April und Mai, nachdem er die Mannschaft übernommen hatte.

Die Schonfrist für ihn ist nun vorbei, obwohl bei den Fans am Samstag die Begeisterung größer war als der Unmut über die Niederlagen nach altbekannten Mustern. Die Saisonvorbereitung hätte Tuchel eigentlich reichen sollen, um der Mannschaft Struktur und Statik zu geben und mit einem Neuanfang die Leichtigkeit ins Spiel zurückzubringen.

Man erwarte nicht, dass Kane „der Super-Held“ sei und alle Probleme der Münchner löse, sagte der Bayern-Trainer. Aber ein paar schon. Deshalb werde er auch jedes Spiel spielen. „Wir können von ihm lernen, nicht anders herum“, findet Tuchel. Und setzte ihn damit doch auf einen Superhelden-Sockel.