Deutsche Oper Berlin: Menschen, Tiere, Relationen
Wenige Tiere sind so sehr zur Projektionsfläche menschlicher Ängste und Sehnsüchte geworden wie Bären. Sie werden gefürchtet und kultisch verehrt, aber auch als Stofftier und in Kinderbüchern verniedlicht. Mit ihrem Musiktheaterstück „Bär*in“, das jetzt n der Tischlerei der Deutschen Oper uraufgeführt wurde, nehmen sich der Komponist Arne Gieshoff und die Regisseurin Franziska Angerer des Themas an. Die Vorlage bildet Nastassja Martins Roman „An das Wilde glauben“, in dem die Anthropologin, die während einer Expedition von einem Bären schwer verletzt wurde, das Ereignis reflektiert.
Diese Rahmenhandlung wird rezitiert von der Schauspielerin Eva Hüster. Leider besteht der anspruchsvolle Text aus den qualvollen Selbstbetrachtungen der Romanvorlage. Zu den interessanten, im Programmheft angekündigten Themen menschlicher und tierischer Koexistenz erfährt man kaum etwas. Auch dass Hüster ihren Text, offensichtlich vom Konzept so gewollt, emotional wenig variiert, hilft nicht, sich in die Protagonistin einzufühlen.
Qualvolle Selbstbetrachtungen
Unterstützt wird Hüster von der Mezzospranistin Marie Therese Carmack und dem Bariton Daniel Nicholson, die gelegentlich die Handlung mit einzelnen Gesangsfetzen kommentieren. Von ihren Stimmen hätte man auch ohne Mikroport gern mehr gehört, als das Regiekonzept ihnen zugesteht.
Das sechsköpfiges klassisches Instrumentalensemble (Leitung: David Wishart) erzeugt durch assoziationsreiche Klangeffekte eine unheimliche Atmosphäre. Doch Arne Gieshoffs Klangflächen wirken eher improvisiert als durchkomponiert und liefert dem Bühnengeschehen kaum Impulse.
Der beklemmende erste Teil wird unvermittelt durch eine gutgelaunt berlinernde Combo in Bärenkostümen durchbrochen. In fünf Songs unterschiedlicher Stile erzählen sie vom Schicksal der Berliner Stadtbären, die von 1939 bis 2015 im Köllnischen Park gehalten wurden. Der melancholische Chanson „Bombenhagel“, der einen Luftangriff aus Sicht der überlebenden Stadtbärin beschreibt, bleibt im Gedächtnis.
Berliner Bärenlieder als Intermezzo
Beeindruckend ist auch die Körperperformance Frédéric Kraukes, die an „Body Horror“-Filme erinnert, wenn er an körperliche und ästhetische Grenzen geht. So verbringt Krauke einen Teil des Abends kopfüber hängend in einem mit geleeartiger Flüssigkeit gefüllten Plastiksack, aus dem er sich schließlich nackt herausarbeitet. Bei aller Gewalt des Bildes bleibt der Bezug zur Handlung unklar.
Franziska Angerers ambitioniertes Regiekonzept will zwar vieles aussagen, bleibt aber beliebig und unfokussiert. Die Erzählstränge laufen nebeneinander her und werden nicht erkennbar verknüpft. Im Film funktioniert diese Erzähltechnik besser – aber auch dort müssen die Stränge irgendwann ein Ganzes bilden.