Der 1. FC Union unterliegt Leipzig: Eine Niederlage ohne Verlierer
Das zurückliegende Wochenende lag in Berlin ganz im Sinne des Protests gegen unliebsame Großprojekte. Am Samstag wurde unter dem Motto „A100 wegbassen“ gegen die Verlängerung der Stadtautobahn demonstriert, am Sonntag unter dem Motto „Schweigen gegen das Konstrukt“ gegen RB Leipzig. Konträre Ansätze, die Wirkung war aber gleich. Von allen Seiten: Druck.
Auf den Druck der Bässe und gegen den Weiterbau folgte einen Tag später der Druck auf RB Leipzig – vor allem aber im metaphorischen Sinne. Den wahrhaftigen Druck spürte Union selbst. Von Leipzig, aber womöglich auch von der eigenen Erfolgsserie. Nach einer Woche zwischen Real Madrid und Leonardo Bonucci wäre es doch nur folgerichtig, wenn man nun auch noch den selbsterkorenen Klassenfeind RB Leipzig zwar nicht wegbassen, zumindest aber wegpassen würde. Es sollte anders kommen.
Stadionsprecher Christian Arbeit stimmte die ohnehin angeheizte Zuschauerschaft bereits vor dem Spiel darauf ein, dass diese Partie, solange es sie gibt, nie normal sein werde. Als hätte es zwischen all der Anti-Kommerzialisierungs-Prosa noch einer Motivation der Fans bedurft. Union verlor letztlich mit 0:3 (0:0), der Zuschauerschaft hat man das Ergebnis aber nicht angemerkt. Nach dem Spiel wurde die Mannschaft minutenlang von den Rängen gefeiert, noch auf der Rückreise, Stunden später, herrschte Euphorie wie nach einem Sieg. Auch Urs Fischer zeigte sich lediglich milde enttäuscht.
Keine Spur von Druck durch Real Madrid
„Ich empfand das Spiel eigentlich sehr ausgeglichen“, sagte der Union-Trainer. „Sicherlich mit der etwas feineren Klinge von RB. Ich empfand, dass meine Mannschaft das bis zum 0:1 eigentlich wirklich gut gemacht hat.“ Man hätte zwar einen guten Raumdruck, allerdings keinen wirklichen Balldruck entwickeln können. Und wie verhält es sich mit dem Druck auf der Meta-Ebene? Stichwort Real Madrid. Was könne man dagegen tun? „Euch in den Griff bekommen“, sagte Urs Fischer mit einer schon fast komödiantischen Ernsthaftigkeit. „Aber das ist ja nicht möglich.“
Das war kein Thema für das Spiel und ist auch jetzt kein präsentes Thema.
Robin Knoche über Ablenkung durch die Champions League
Ist der viel zitierte Druck also doch nicht mehr als ein von den Medien hochgejazztes Phantomprodukt? „So wie die Mannschaft heute aufgetreten ist, hatte ich nicht das Gefühl, dass sie Real Madrid im Kopf hat“, befand Fischer. „Natürlich wird immer darüber geredet, das meiste kommt aber von euch“, pflichtete Verteidiger Robin Knoche seinem Trainer bei. „Das war kein Thema für das Spiel und ist auch jetzt kein präsentes Thema.“
Leipziger Effizienz schlägt dezimierte Unioner
Urs Fischer sprach viel davon, das Ergebnis akzeptieren zu müssen, analysierte sachlich das Spiel und resümierte simpel wie treffend: „Die Mannschaft hat es nicht schlecht gemacht, Leipzig war einfach effizient und mit einem Mann weniger war es unmöglich, etwas zu holen.“ Keine Verbitterung, kein Kopfzerbrechen über die gerissene Heimserie.
Er glaube, bereits viele gute Dinge gesehen zu haben, sah aber auch noch einiges an Verbesserungspotenzial. Auch Knoche richtete den Blick nach vorne: „Dass noch nicht alles zu 100 Prozent am dritten Spieltag funktionieren kann, ist auch klar. Das wussten wir auch nach den letzten beiden Spielen. Das Schöne ist: In zwei Wochen geht es schon wieder weiter.“ Wer nicht zum Höhenflug neigt, der kann auch nicht abstürzen.
Nun gehört es offensichtlich nicht zum Köpenicker Selbstverständnis, Leipzig zu besiegen, eine der laut Fischer „Top vier Mannschaften in der Bundesliga“. Auch wenn sich die aufoktroyierte Erwartungshaltung verändert hat, das Mannschaftsinnere scheint sich in einer Art faradayschem Käfig gegen ein solches Überstülpen abzuschotten. „Es war eine offene Partie, in der es schwer war, zu eigenen Torchancen zu kommen“, gestand auch RB-Trainer Marco Rose ein und versuchte sein Gegenüber noch aufzumuntern. „Ich habe die Auslosung geschaut und fand das saugeil, als der erste Gruppengegner (Real Madrid) kam. Auch wenn dich das gerade nicht interessiert, Urs.“