Das Programm des Theatertreffens 2023: Zweimal Burgtheater, zweimal Schauspielhaus Bochum

Vieles ist neu beim Theatertreffen 2023. Es gibt ein neues, vierköpfiges Leitungsteam (Olena Apchel, Marta Hewelt, Carolin Hochleitner und Joanna Nuckowska), das „mehrsprachig und gleichberechtigt“ zu Werke geht (so der neue Intendant der Berliner Festspiele Matthias Pees). Und es werden in diesem Jahr erstmals nicht nur die zehn „bemerkenswertesten“ Inszenierungen des deutschsprachigen Raums nach Berlin eingeladen, ausgewählt von einer Kritiker:innen-Jury. Sondern es gibt auch zehn Treffen zum Treffen. Sogenannte Austauschformate, die den gezeigten Produktionen zur Seite gestellt werden und sie „umrahmen, umgarnen und umarmen“ sollen (Hewelt).

Klingt spannend. Und innovativ! Auch wenn bei der Pressekonferenz im Haus der Berliner Festspiele noch nicht ganz klar wurde, was genau sich dahinter verbirgt. Ein „Responsibility Treffen“ soll sich dem Krieg in Europa widmen, das „Solidarity Treffen“ legt den Fokus auf belarussische Kunst, ein „Transfeminist Treffen“ untersucht die Küche als Ort der Zusammenkunft und der Unterdrückung von Frauen (vermutlich jedenfalls, die Kopfhörer mit der Übersetzung aus dem Polnischen haben ein bisschen geknarzt).

Zurück zum Traditionstheater

Ob da ein Zusammenhang besteht? Kaum ist dieser „Resonanzraum“ (Pees) fürs Brandaktuelle geschaffen worden, sind nicht mehr ausschließlich Produktionen eingeladen, bei denen man schon vorher denkt: Das wird bestimmt eine lehrreiche politische Lecture! (So wie im vergangenen Jahr, als das Theatertreffen stets noch Tickets übrig hatte). Vielleicht Zufall, aber der Trend scheint zurückzugehen zum Traditionstheater. Zumindest hinsichtlich der Häusernamen.

Gleich zwei Mal ist das Burgtheater Wien vertreten: mit der Provinzfaschismus-Fabel „Die Eingeborenen von Maria Blut“ von Maria Lazar (Regie: Lucia Bihler) und mit einem Peter-Handke-Stück (!): „Zwiegespräch“, inszeniert von Rieke Süßkow. Einen „schaurig-schönen Totentanz“ hat die Jury erlebt.

Auch das Schauspielhaus Bochum darf sich über eine Doppeleinladung freuen: Maxim Gorkis „Kinder der Sonne“ reisen in der Regie von Mateja Koležnik an, vom Kollektiv De Warme Winkle wird die Arbeit „Der Bus nach Dachau. Ein 21st Century Erinnerungsstück“ gezeigt – ein Abend über letzte Zeug:innen des Holocaust, der „kein Betroffenheits- und Gedenktheater“ sein will.

Zudem sind beim Theatertreffen vom 12. bis 28. Mai beide Münchner Großtheater vertreten. Von den Kammerspielen kommt  eine „Nora“, bearbeitet unter anderem von Sivan Ben Yishai (Regie: Felicitas Brucker), in der die Heldin als „harpyienhafte Gothic-Queen mit Abbas ‚SOS’ auf den Lippen“ ihren Auftritt hat. Und vom Residenztheater ist „Das Vermächtnis Teil 1 + 2“ des US-amerikanischen Autors Matthew Lopez eingeladen – eine große Erzählung in der Nachfolge von Tony Kushners „Angels in America“.

Nora singt Abba

In Berlin wiederum darf sich das Deutsche Theater freuen, dessen Musiktheaterproduktion „Der Einzige und sein Eigentum“ von Sebastian Hartmann und PC Nackt ausgewählt wurde. Sowie die Volksbühne – vertreten mit Florentina Holzingers wilder Wassersause „Ophelia’s Got Talent“.

Apropos Shakespare: Tatsächlich runden zwei Klassiker-Inszenierungen das Programm ab. Konkret die „Hamlet“-Deutung von Philipp Preuss, entstanden am Anhaltischen Theater Dessau, dem Vernehmen nach eine zombiehafte Horror-Prinzen-Show. Sowie „Ein Sommernachtstraum“ vom Theater Basel in der Regie von Antú Romero Nunes, der ein Lehrer:innen-Kollegium Puck & Co spielen lässt – was die Jury (die stolze 461 Aufführungen in 58 Städten absolviert hat) als großen Spaß erlebte. Als „Theater, das sich selbst feiert“. Das wiederum ist nichts Neues. War aber lange nicht zu sehen.

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