Das Phänomen Hans Lindberg
Natürlich ein Heber. Wenn Hans Lindberg nach seinem Lieblingswurf gefragt wird, lässt die Antwort nicht lange auf sich warten. Zu gerne legt der Däne den Ball den Torhütern nahezu spitzbübisch über den Kopf.
Zu gerne wirft er den Ball so, dass es sich erst ganz kurz vor dem Tor senkt, um dann ins Netz einzutauchen. Dabei ist das restliche Repertoire des Rechtsaußen nicht unbeachtlich: Dreher, Aufsetzer, Direktwurf – der Routinier kann sie alle erfolgreich im Tor unterbringen. So erfolgreich, dass die Verantwortlichen beim Handball-Bundesligisten Füchse Berlin überzeugt waren, den Vertrag mit dem 40-Jährigen um ein weiteres Jahr zu verlängern.
„Er ist unfassbar effektiv und eine unglaublich wichtige Persönlichkeit für unsere Mannschaft. Er ist wie ein guter Wein, ich habe das Gefühl, er wird jedes Jahr noch besser”, sagte Vorstand Sport Stefan Kretzschmar über den Dänen. Sportliche Leistung, keine Verletzungen, Charakter – alles habe für eine weitere Zusammenarbeit mit dem mehrmaligen Europa- und Weltmeister gesprochen.
Lindberg selbst war sich ebenfalls schnell sicher, bleiben zu wollen. „Wie jeder weiß, fühle ich mich sehr wohl in Berlin. Und so lange ich fit bin, will ich diese Möglichkeit auch nutzen, hier Erfolge zu feiern“, sagte der dänische Nationalspieler, der anscheinend noch lange nicht genug vom Handballparkett hat – ebenso wenig wie von Berlin.
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Hier hat er sich seit seinem Wechsel 2016 mit der Familie bestens eingelebt, hier kann sich der vielseitig interessierte Lindberg auch kulturell ausleben.
Nicht der einzige Handballer, der für Furore sorgt
Eine Zufriedenheit, die ihm sportlich durchaus anzumerken ist. Lindberg ist nicht nur mit Abstand der beste Werfer der Mannschaft, seine Quote ist in diesem Jahr beeindruckend. Nur acht von einhundert Bällen hat er vom Siebenmeterstrich nicht verwandelt und sich nebenbei nicht nur an die Spitze der Torschützenliste geworfen, sondern außerdem den Rekord der meisten verwandelten Strafwürfe in der Bundesliga egalisiert.
Lindberg ist jedoch nicht der einzige Handballer um die 40 Jahre, der in der Bundesliga für Furore sorgt. Angefangen bei seinem Teamkollegen Viran Morros, der mit 38 Jahren nicht ans Aufhören denkt, ist da Pavel Horak, der dem Kieler Defensivblock mit 39 Jahren noch Variabilität verleihen kann. Da ist Alexander Petersson, der auch im Alter von 41 Jahren jeder Abwehr gefährlich werden kann.
Und da ist der 38-Jährige Lasse Svan, der ewige Flügelpartner Lindbergs in der Nationalmannschaft, der schon jeden erdenklichen Erfolg feiern durfte. Einmal ganz abgesehen von internationalen Größen wie Timur Dibirow, Jonas Källmann oder Nikola Karabatic. Sie alle spielen bei Topklubs im Ausland und bringen dort ihre Erfahrung gewinnbringend ein, wenngleich einige von ihnen nach dieser Saison ihre Karriere beenden werden.
Nicht aber Hans Lindberg. Und wenn der Routinier so weitermacht wie bisher, könnten bald neue Rekorde folgen. Bereits jetzt hat er mit 2734 Treffern den bisher besten Linksaußen Jochen Fraatz vom dritten Platz der ewigen Torschützenliste der Bundesliga verdrängt – und das sogar ohne die Tore, die ihm durch den Zwangsabstieg des HSV Hamburg in der Saison 2015/16 aberkannt wurden.
Ansonsten wäre er seinem Landsmann Lars Christiansen, der hinter Kyung-Shin Yoon den zweiten Rang belegt, schon wesentlich näher.
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Doch dafür ist ja nun im nächsten Jahr Zeit. Genauso wie für weitere Titel, für die Lindberg nicht nur als Torgarant bedeutsam ist, sondern ebenso durch seine Spielübersicht und seinen gleichermaßen motivierenden wie beruhigenden Einfluss auf sein Team in kritischen Situationen.
Was ihm mittlerweile vielleicht an Geschwindigkeit und Sprunghöhe fehlt, macht er mit Cleverness wett. So hat er sich nicht ohne Grund zu einer Identifikationsfigur entwickelt. In Dänemark wird er phrenetisch bejubelt, stehen seine Fans hier ebenfalls lange Schlange, um sich nach dem Spiel mit ihm fotografieren zu lassen oder ein Autogramm zu ergattern. Wünsche, die Hans Lindberg geduldig erfüllt. Denn Allüren gehören nicht zu seinem Repertoire.