Berliner Philharmoniker: Höchste Konzentration
Als ein Gruß an die Spätromantik unter dem Gesetz der Zwölftontechnik erscheint das Klavierkonzert, das Arnold Schönberg 1942 im amerikanischen Exil komponiert hat. Autobiografische Stichworte auf den ersten Skizzen: das leichte Leben in Wien, der Hass, Neuanfang in den USA. Diese Notizen sind nicht in der Partitur verblieben. Die Komposition aber dokumentiert Schönbergs geistige Heimat in der Tradition. Das Klavier eröffnet das Stück und stellt die Zwölftonreihe vor, die für das Ganze verbindlich ist.
In diesem Konzert der Berliner Philharmoniker ist Mitsuko Uchida die gefeierte Solistin. Die gemeinsame Aufführung reflektiert, dass die Pianistin dem Orchester jahrzehntelang künstlerisch verbunden ist. Obwohl vor allem als eine führende Interpretin von Mozart und Schubert verehrt, erfasst sie in ihrem Repertoire auch die zweite Wiener Schule. Sie spielt Schönberg mit ihrem glasklaren Ton und zugleich mit sensiblem Ausdruck.
Fast lieblich im ersten Satz, unheimlich stürzend ins Scherzo, singend im Adagio, konzertant verspielt im letzten Satz fügt sie ihren Part in den Orchestersatz, in dem die einzelnen Instrumente solistisch glänzen, an der Spitze der großartige Oboist Albrecht Mayer. Uchida interpretiert ihr Solo, auch die Kadenzen, als Partnerin, als eine Stimme unter vielen, während ihre Augen ständig aufmerksam zwischen den Noten auf dem Klavier und dem Dirigenten hin und her wechseln.
Atemlose Spannung
Am Pult steht Andris Nelsons. Er dirigiert anschließend die Symphonie Nr. 7 von Anton Bruckner mit dem berühmten Adagio. Das sehnende Tongedicht spiegelt, dass Bruckner mitten in der Ausarbeitung dieses Satzes die Nachricht vom Tod Richard Wagners erhielt. So erhebt sich in der Reprise die Trauermusik „zum Andenken an den Hochseligen, heißgeliebten unsterblichen Meister“, der unvergleichliche Klagegesang mit dem Einsatz von vier Wagner-Tuben. Atemlose Spannung herrscht in der Philharmonie nach dem pianissimo ersterbenden Satz.
Die ganze Aufführung ist eine Sternstunde der Philharmoniker, in der äußerst engagiert musiziert wird: mit großem Ton der Flötist Sébastian Jacot, ferner mit all ihrer Kunst wiederum Albrecht Mayer, der Hornist Stefan Dohr, der Trompeter Guillaume Jehl, und – als Gast der Klarinettist Kilian Herold.
Bei dem 44-jährigen Andris Nelsons fällt eine Entwicklung zu einem reiferen Musizierstil auf. Opernhaftes ist verschwunden. Er baut den Brucknerschen Dom aus Melodien mit Gesten auf, die sich allein auf das Wesentliche konzentrieren. Viel Zartheit ist dabei, aber auch Attacke. Den Händen des Maestro bei der Gestaltung zuzusehen, ist eine Augenweide, weil sie aus dem Innersten der Musik kommt. Der Beifall will kein Ende nehmen.
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