„Bei null anzufangen, ist nicht leicht“
Sabine Lisicki lacht, aufgeregt wirkt das. Positiv aufgeregt. Sie sagt: „Mir geht es sehr gut, ich freue mich unglaublich, in Berlin zu spielen. In meiner Heimat, in meinem Heimatklub.“ An diesem Wochenende startet das große Tennisturnier von Berlin auf der Anlage vom LTTC Rot-Weiß, firmierend unter „Bett1 Open“. Das WTA-500-Turnier ist mit 757 000 US-Dollar dotiert. Sabine Lisicki ist mit am Start – und daran war lange Zeit nicht zu denken.
Es ist ein Comeback oder vielmehr der Versuch eines Comebacks. Sabine Lisicki hatte 18 Monate pausieren müssen nach einem Kreuzbandriss. Sie war mehr als 500 Tage ohne ein einziges Turnierspiel. Jetzt hat sie drei kleine Turniere spielen können, fünf von acht Matches gewonnen und auf der Weltrangliste ist Lisicki immerhin wieder auf Platz 994 zu finden. Für Berlin erhielt sie eine Wildcard, genauer gesagt eine Starterlaubnis für die Qualifikation am Wochenende, das kleine Turnier vor dem Turnier. Das kennt sie, als Qualifikantin hat sie sich einst eifrig in Wimbledon nach vorn gekämpft. Doch das waren andere Zeiten, jüngere Zeiten. Sabine Lisicki ist jetzt 32 Jahre alt. Berlin ist so etwas wie ihre vielleicht allerletzte Chance, sich noch einmal zurückzuspielen auf die große Bühne.
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Sabine Lisicki und die große Bühne? Ja, da war mal was. Oder da war fast mal was – ganz Großes. Und zwar Anfang Juli 2013. Lisicki schaffte es, als erste deutsche Spielerin seit Steffi Graf im Jahre 1999 ins Finale von Wimbledon einzuziehen. Das Spiel war in der Heimat zwar kein Straßenfeger, zumal es im Pay-TV übertragen wurde, aber es gab schon etliche Gaststätten in Berlin, die zum Public Viewing einluden. Dort unterhielt sich das eher reife Publikum dann vor dem Match vielerorts über die großen Zeiten von Graf und Boris Becker, die Erwartungshaltung war groß, zumal in Berlin – und sie wurde enttäuscht. Lisicki verlor sang- und klanglos gegen Marion Bartoli mit 1:6 und 4:6. Die Französin beendete ihre Karriere wenige Wochen später.
Für Lisicki war es eine Niederlage von tragischer Dimension, denn so weit sollte sie danach nie wieder kommen. Die deutschen Tennisspielerin, die auf dem Sprung schien, geriet bald ins Abseits – zumal bald die große Zeit der Angelique Kerber mit ihren Grand-Slam-Titeln begann. Es war so in klein die Geschichte, die Jahrzehnte zuvor Claudia Kohde-Kilsch wiederfahren war: Die kündigte in einer großen Titelgeschichte des „Stern“ an, dass sie nun alsbald zur Nummer eins auf steigen werde. Der Artikel endete damit, dass sie gerade von Graf in der Weltrangliste überholt wurde.
Die Karriere von Sabine Lisicki war nach ihrem ganz großen Auftritt geprägt von vielen Rückschlägen und Verletzungen. Pfeiffersches Drüsenfieber, Kreuzbandriss. Klar, es gab Highlights, auch nach Wimbledon – auch ein paar lustige, etwa 2015. Da schlug sie in einem Match sage und schreibe 27 Asse, ein Weltrekord. Doch seit 2017 ging es dann bergab. „Natürlich wäre es anders gelaufen, hätte ich die ein oder andere Verletzung weniger gehabt“, sagt sie. Aber sie schaue nicht zurück. Dann also der bescheidende Blick nach vorn, auf Berlin, zwar nicht ihre ursprüngliche Heimat, aber nach dem Wegzug aus Troisdorf bei Bonn schon in jungen Jahren ihre zweite Heimat. Sabine Lisicki sagt: „Erst mal freue ich mich, wieder auf dem Platz zu stehen nach 18 Monaten.“ Die ersten Turniere seien gut gelaufen.
„Natürlich braucht es Zeit, um reinzukommen. Ich arbeite hart“.
„Natürlich braucht es Zeit, um reinzukommen. Ich habe hart gearbeitet, um hierhin zu kommen. Das erste Ziel erreiche ich am Samstag, wenn ich das Match spiele.“ Viel weiter wolle sie noch nicht denken, zumindest wohl nicht laut. Logisch habe sie sich hohe Ziele gesteckt, aber ihr Körper brauche Zeit nach langwierigen Operationen. Das dürfe man nicht unterschätzen. „Ich muss Schritt für Schritt nach vorne gehen. Ich bin ein geduldiger Mensch. Jetzt bin ich wieder in der Rangliste zu finden. Bei null anzufangen, ist nicht leicht.“
Berlin sei für einen Start am Nullpunkt aber ein guter Ort. „Hier ist mein Heimatverein.“ Bei dem sich einiges geändert hat, etwa der Belag beim Turnier: Auf dem Rasen bereiten sich die Favoritinnen auf Wimbledon vor, wie einst in Birmingham, das Turnier hatte Lisicki vor elf Jahren gewonnen. „Natürlich habe ich die Veränderung in Berlin mitbekommen“, sagt sie und lacht: „Rasen ist mein Lieblingsbelag, das passt wie die Faust aufs Auge.“
Dann redet sie darüber, wie schön das werden kann, wieder in der Heimat spielen zu können vor Familie und Freunden in ihrer „zweiten Karriere“. Schließlich macht sie doch noch eine kleine Kampfansage. Sie sei noch nicht zu alt, um nicht noch ein paar Jahre auf dem Platz stehen zu können. „Ich bin nicht nach Berlin gekommen, um einfach nur zu spielen.“