Bayer Leverkusen steht kurz vor dem Titel: „Was heißt hier, die Meisterschaft ist sicher?“
Im Informationszeitalter, in dem Daten, Ergebnisse und Tabellen überall und unmittelbar verfügbar sind, waren sie natürlich auf dem neuesten Stand. Die Fans von Bayer Leverkusen wussten um die Bedeutung dieses sommerlichen Aprilnachmittags – und doch brachen die Emotionen erst mit der Ansage des Stadionsprechers aus ihnen heraus. „1. FC Heidenheim gegen Bayern München: drei zu zwei“, schallte es aus den Lautsprechern, gefolgt vom Jubel der 2000 Fans im Gästeblock. „Deutscher Meister wird nur der SVB“, sangen die Leverkusener Anhänger.
Bei 16 Punkten Vorsprung, sechs Spieltage vor dem Saisonende, ist es ihnen kaum zu verdenken. Selbst der abergläubigste Leverkusener mit tiefen Wunden aus fernen Vizekusen-Momenten weiß mittlerweile: Die Frage ist nicht mehr, ob die Werkself in dieser Saison zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte Deutscher Meister wird, sondern wann. Und die Antwort darauf ist: sehr bald. Wahrscheinlich schon am kommenden Wochenende, wenn die taumelnden Münchner Bayern gegen den 1. FC Köln spielen und Leverkusen zu Hause gegen Werder Bremen.
Nachdem in der Vorwoche bereits Thomas Tuchel vom abgehängten Verfolger aus München die Meisterschaft für entschieden erklärt hatte, machte am Samstag nach dem 1:0 der Leverkusener beim 1. FC Union auch dessen Trainer Nenad Bjelica seine Aufwartungen. „Glückwunsch zum Sieg – und zur Meisterschaft“, sagte der Kroate.
Keine zwei Meter neben ihm blickte Xabi Alonso etwas skeptisch drein. „Die Situation ist super“, sagte der spanische Trainer von Bayer Leverkusen auf Deutsch. „Aber es ist noch nicht vorbei, wir wollen noch nicht feiern.“ Wenig später wurde er dann von einem Radiojournalisten aus seiner Heimat befragt, wobei sich Unions Trainer Bjelica spontan als Übersetzer für den Rest der Anwesenden in der Pressekonferenz anbot. Auf Spanisch sprach Alonso von einer „historischen Chance“, die nur noch ein Schrittchen entfernt liege.
Die Situation ist super, aber es ist noch nicht vorbei, wir wollen noch nicht feiern.
Xabi Alonso
Doch diesen kleinen Schritt wollen die Überflieger aus Leverkusen erst mal gehen. Auch Mittelfeldtaktgeber Granit Xhaka verwehrte sich gegen vorzeitige Glückwünsche. „Was heißt hier, die Meisterschaft ist sicher?“, sagte der Schweizer in der Mixed Zone. „Uns muss bewusst sein, dass wir ab heute über den Titel reden können, weil wir wirklich Geschichte schreiben können, aber wir müssen unsere Aufgabe erst mal erledigen.“
Neben der überragenden technischen Qualität und der perfekten taktischen Einstellung ist es genau diese Mentalität, die das Team in dieser Saison auszeichnet. Leverkusen ist unersättlich, schaut nicht nach links oder nach rechts, sondern spult Woche für Woche das eigene Pensum ab. In München würden sie dieses Selbstverständnis unter „Mia san mia“ verbuchen, doch seinen kriselnden Ex-Arbeitgeber umschiffte Alonso elegant. „Ich möchte nicht vergleichen. Wir haben unsere eigene Art und Weise“, sagte der Trainer.
Dass sich Alonso und seine Spieler alle Mühe geben, keine allzu große Feierstimmung aufkommen zu lassen, hat gute Gründe. Denn schon am Donnerstag steht für Leverkusen das nächste wichtige Spiel an. Im Viertelfinale der Europa League empfängt die Werkself West Ham United und bei 41 Pflichtspielen ohne Niederlage in dieser Saison gehört das Team auch international zu den Favoriten auf den Titel.
Ziel eins, das Pokalfinale, hat Leverkusen bereits erreicht. Ziel zwei, die Meisterschaft, ist in greifbarer Nähe. „Dann wollen wir auch Ziel drei erreichen und in der Europa League weit kommen, vielleicht auch was holen“, sagte Xhaka. Dieser Leverkusener Mannschaft ist auch das Triple zuzutrauen.