Aufsichtsrat zum Berlinale-Eklat: Festival soll „frei von Hass, Hetze, Antisemitismus“ sein
Der Aufsichtsrat der KBB, der Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin als Dachorganisation der Berlinale, hat sich am Montagabend zur umstrittenen Bären-Gala positioniert. Er bedaure die Vorkommnisse während der Preisverleihung am 24. Februar, heißt es in einem Beschluss des Rats unter Vorsitz von Kulturstaatsministerin Claudia Roth, der dem Tagesspiegel vorliegt. Zu dem Termin war auch die scheidende Berlinale-Doppelspitze geladen, Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian.
Die Berlinale war insgesamt ohne strittige Proteste verlaufen, bei der Ehrenpreis-Gala für Martin Scorsese hatten Rissenbeek, Chatrian und Roth gemeinsam mit Scorsese auf dem Roten Teppich posiert. Bei der Abschluss-Gala hatten jedoch mehrere Juror:innen und Preisträger:innen einen Waffenstillstand in Gaza gefordert, verbal oder mit angehefteten Zetteln oder Kufiyas ihre Solidarität mit den Palästinensern bekundet. Auch war von „Apartheid“, „Slaughter“ und „Genozid“ seitens der israelischen Armee und der Regierung die Rede.
Das Massaker der Hamas an der israelischen Zivilbevölkerung am 7. Oktober und die israelischen Hamas-Geiseln hatte lediglich Berlinale-Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek in ihrem Eingangs-Statement benannt. Ihre Amtszeit endet in wenigen Wochen, auch der Vertrag Chatrians als Künstlerischer Leiter läuft Ende März aus. Neue Berlinale-Chefin ist ab 1. April die US-Amerikanerin Tricia Tuttle.
Rissenbeeks Statement, das „ein sehr viel differenzierteres Bild der politischen Lage gezeichnet“ habe, wird in dem Beschluss begrüßt, auch könne „die persönliche Meinung einzelner Preisträgerinnen und Preisträger“ nicht der Berlinale zugerechnet werden. Gleichwohl bittet der Aufsichtsrat das Festival, „für die Zukunft sicherzustellen, dass für Gäste und Preisträger einerseits Meinungs- und Kunstfreiheit innerhalb des grundgesetzlich geschützten Rahmens gewährleistet bleiben, dass für die Berlinale andererseits aber Raum für politische Einordnung und Gegenrede bleibt“.
Man respektiere „die unabhängigen Entscheidungen der Jurys als Teil der kuratorischen Verantwortung“. Aber die Berlinale solle ein Ort bleiben, „der frei ist von Hass, Hetze, Antisemitismus, Rassismus, Muslimfeindlichkeit und jeder Form von Menschenfeindlichkeit“, heißt es weiter. Der von der KBB für alle Häuser vorbereitete Code of Conduct werde dafür eine Richtlinie sein.
Der Aufsichtsrat äußerte sich auch zu den unautorisierten antiisraelischen und antisemitischen Share Pics, die kurzzeitig unter dem Berlinale-Logo gepostet worden waren. Er verurteilt diese aufs schärfste und begrüßt, dass die Berlinale-Leitung Anzeige gegen die missbräuchliche Nutzung der Social-Media-Kanäle des Festivals erstattet hat.
Noch-Intendantin Rissenbeek wird außerdem dazu aufgefordert, „sich aktiv dafür einzusetzen, dass an das Schicksal von David Cunio und der anderen Geiseln der Hamas erinnert wird“. David Cunio spielte 2013 eine Hauptrolle im israelischen Panorama-Beitrag „Youth“, er wurde am 7. Oktober von der Hamas verschleppt. Die Berlinale ebenso wie Claudia Roth waren bereits vor Festivalbeginn darüber informiert worden. Weder die Festival- oder die Sektionsleitung noch die Grünen-Politikerin machten während der Filmfestspiele auf sein Schicksal aufmerksam.
Am Ende des Sieben-Punkte-Papiers werden Überlegungen der designierten neuen Leiterin Tricia Tuttle zu organisatorischen Veränderungen begrüßt, „insbesondere zum Aufbau eines starken Leitungsteams“. Eine Formulierung, die sich als Seitenhieb auf das scheidende Leitungsteam lesen lässt.
Der Aufsichtsrat der KBB GmbH, unter deren Dach neben der Berlinale auch die Berliner Festspiele mit dem Gropius Bau und das Haus der Kulturen der Welt firmieren, vereint zwölf Personen. Dazu gehören neben Roth und ihrem Amtschef Andreas Görgen weitere Vertreter der Bundes- und der Landespolitik, Anne Leppin als Geschäftsführerin der Deutschen Filmakademie, Marion Ackermann als Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, der frühere DT-Intendant Ulrich Khuon und Hansjürgen Rosenbauer vom HKW-Programmbeirat.
Rissenbeek, Chatrian und Claudia Roth als ihre oberste Dienstherrin hatten sich im letzten Jahr zunehmend entfremdet, über Sparvorgaben und die Nichtverlängerung von Chatrians Vertrag. Nach der Berlinale hatte Roth die Berlinale scharf wegen der Abschluss-Gala kritisiert. Sie selbst saß bei der Gala in der ersten Reihe.
Am Montag sagte Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, zum Streit um die Preisverleihung im epd-Interview, Kulturpolitikerinnen und Kulturpolitiker sollten auch „ihr eigenes Verhalten kritisch reflektieren“. Eine Einschränkung der Kunstfreiheit sei keine Lösung für eigenes Versagen.