Architekturstreit in Berlin: Weniger Klein-Klein bitte

Die Berliner Architektenschaft war schon im 19. Jahrhundert berüchtigt dafür, sich in clanartig abgeschlossene Gruppen zu zerlegen, zu intrigieren und sich gegenseitig umfassende Inkompetenz vorzuwerfen. Es ging um Marktanteile und um Ideologien, um Geschmack und unterschiedliche gesellschaftspolitische Ideen.

Der letzte dieser vielen großen Streite wird seit etwa 1990 ausgetragen und geht letztlich um die Fragen: Was ist berlinisch in der Architektur? Wie bleibt diese Stadt erkennbar und kann trotzdem konkurrieren mit anderen, reicheren, stärkeren Metropolen?

Stimmanns Kaiserzeit, Lüschers Öffnung

Durchaus brutal, gerade in der Sprache und im Zuweisen von Marktsegmenten, wurde in den 1990ern gerungen zwischen Senatsbaudirektor Hans Stimmann und seinem weiteren Umkreis und denen, die andere Bilder von Berlin als das der idealisierten Kaiserzeit vor Augen hatten. Es war eine der großen und viel zu wenig gewürdigten Leistungen seiner Nachfolgerin Regula Lüscher, die Bosheit wenigstens ein bisschen aus der Debatte zu nehmen.

Vor allem aber gelang es ihr, die Debatte in die breite Gesellschaft zu öffnen. Doch gerade diesen wirklich zukunftsnötigen Teil von Lüschers Ansatz hat deren Nachfolgerin Petra Kahlfeld bisher nicht weitergeführt, stattdessen am Molkenmarkt oder in der gnadenlos provinziellen Bauakademie-Frage die alten Planer-Fraktionen von angeblich „konservativen“ und angeblich „modernen“ wiederbelebt.

Nikolaus Bernau ist Architekturkritiker und sieht die stadtplanerischen Diskussionen in dieser Stadt in einer Dauerschleife.

Wieder fraktionieren sich die Architektenschaft und diejenigen, die eigentlich für Vermittlung sorgen sollten, die Akademie der Künste, das Deutsche Architekturzentrum, die neue Bauakademie-Stiftung, die diversen Universitäten, der Architekten- und Ingenieursverein, der Deutsche Werkbund, sogar die Architektenkammer und eben die Senatsbauverwaltung.

International schaut niemand nach Berlin

Man lädt sich nicht mehr gegenseitig ein, hört nicht zu, behauptet stattdessen, den einen ginge es ja nur um das Freimachen von „rechten Räumen“, den anderen um „linksgrünen Sozialismus“. Und Berlin wird währenddessen immer unwichtiger sogar in deutschen Planungsdebatten, vom internationalen Geschäft ganz zu schweigen. Das zeigen derzeit brutal die Architekturbiennale in Venedig und kürzlich der Internationale Architektenkongress in Kopenhagen. Berlin fehlt völlig in der Debatte über den ökologischen Stadtumbau, über die Reaktion auf den Klimawandel, den neuen Wohnungsbau, das Altwerden der Gesellschaften, die Einwanderung.

Es ist ein Desaster: Die Welt ändert sich radikal -– und Berlin weiß nicht mal, wieviel Wasser in seinen Parkanlagen versprüht wird, wie wir gerade lesen mussten. Wie will man da modern planen können? Man fängt an, sich nach Hans Stimmanns grummeligen Wutausbrüchen und Regula Lüschers Mitmach-Veranstaltungen zu sehnen.