Alfred Gislason lässt sich den Spaß nicht nehmen

Alfred Gislasons Gesicht ist hinter seiner Maske kaum zu erkennen. Nicht verdecken kann der Mund-Nasen- Schutz hingegen die in Falten gelegte Stirn des Isländers. Der Handball-Bundestrainer muss am Samstag die aktuelle Lage seiner Nationalmannschaft erklären, er tut das gewohnt entspannt und antwortet auf die Fragen der Journalisten ruhig und routiniert.

Dabei sind es anstrengende Tage für ihn bei dieser Europameisterschaft. Nicht nur, weil sein Team die ersten beiden Hauptrundenspiele gegen Spanien und Norwegen deutlich verloren hat und an einen Einzug ins Halbfinale momentan nicht zu denken ist. Sondern auch, da er sich an einen Arbeitsalltag gewöhnen musste, der selbst den 62-Jährigen mit all seiner Trainererfahrung vor nicht zu unterschätzende Herausforderungen stellt.

Und dabei ist Gislason seit seinem Amtsantritt im Februar 2020 einiges gewohnt. Bereits seine erste Maßnahme und das damit verbundene Testspiel gegen die Niederlande, dass in seiner alten Wirkungsstätte in Magdeburg ausgetragen werden sollte, wurde coronabedingt abgesagt. Seitdem musste Gislason mit einem immer wechselnden Kader hantieren, der mehr durch Verletzungen und anders begründete Absagen bestimmt wurde als durch seine eigene Auswahl, während die Pandemie mit stetig divergierenden Begebenheiten für zahlreiche weitere Überraschungen sorgte.

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Was nun aber bei der EM passiert, übertrifft das Vorangegangene noch einmal um einiges. Seit vergangenem Samstag, als Nationalspieler Julius Kühn positiv auf das Coronavirus getestet worden war, fielen immer wieder Akteure aus, war nicht absehbar, mit welchem Kader Gislason am nächsten Tag rechnen konnte. Die Spitze dieser Absurdität bilden die Ereignisse um Christoph Steinert, bei dem am Mittwoch eine Corona-Infektion nachgewiesen wurde. Da die Ergebnisse zuvor und auch im Anschluss allerdings die Grenzwerte nicht überschritten, bekam der Rückraum-Spieler am Donnerstag – knapp 50 Minuten bevor das Spiel gegen Spanien begann – die Erlaubnis, weiter am Turnier teilzunehmen. Zu Fuß machte sich der Erlanger auf den Weg und kam gerade noch rechtzeitig zum Anpfiff in der Arena an. Zwei Tage später wurde der 32-Jährige nun zusammen mit Sebastian Firnhaber erneut positiv getestet.

13 Teammitglieder sind nicht spielfähig

Für Gislason bedeutete dies ein erneutes Umbauen seiner ohnehin schon wackeligen Planung in Vorbereitung auf das Spiel gegen Schweden am Sonntag (18 Uhr/ARD). Am Freitag hatte er noch betont, wie sehr er darauf hoffe, dass einige seiner Spieler zur Mannschaft zurückkehren würden. „Das wäre wie Weihnachten”, sagte Gislason, der nun aber auf seine Geschenke verzichten muss.
Bei inzwischen 13 nicht spielfähigen Teammitgliedern und einem Tross von Nachnominierten, der wenig Zeit miteinander verbracht hat, ist der zuvor bereits niedrige Anspruch an die Mannschaft noch weiter geschrumpft.

Doch obwohl ihm der direkte Kontakt zu den Spielern außerhalb der Halle momentan verwehrt wird, arbeitet Gislason weiter. Er nutzt die wenigen Möglichkeiten, um taktischen Input zugeben, ohne dabei die Spieler zu überfordern. Und das Wichtigste: Er lässt sich – zumindest nach außen hin – nicht erschüttern und gibt seine Ruhe an die Spieler weiter.

Wenngleich der Aufwand für seine als akribisch bekannten Videoanalysen durch die Infektion seines Co-Trainers Erik Wudtke noch einmal gestiegen ist, hat Gislason die Freude an seinem Tagewerk noch nicht verloren. Wenn er über seine „Jungs” spricht, beginnen die Augen zu strahlen. „Das glaubt mir vielleicht keiner, aber ich habe sehr viel Spaß hier an der Sache und freue mich über viele Dinge”, sagt Gislason über seine Arbeit mit den jungen Spielern. Er sieht die Perspektive der Mannschaft und vor allem das Engagement. Deshalb kann er auch bei Fehlern ruhig bleiben. Was über den Handball hinaus geht, hat er in diesen Tagen ohnehin nicht selbst in der Hand.