Ailien Poese über den neuen Fokus bei Unions Frauen: „Die Nähe zu den Fans ist eine andere als bei den männlichen Profis“
Die Nase tropft, der Hals kratzt und hinter den Schläfen fängt es an zu pochen – so fühlt es sich an, wenn eine Erkältung im Anmarsch ist. Dazu noch die Sorge, dass es sich um Corona handeln könnte. So ergeht es in den Herbstmonaten etlichen Menschen in Deutschland, auch die Spielerinnen des 1. FC Union blieben nicht verschont.
„Im Moment ist Erkältungszeit“, sagt Trainerin Ailien Poese. „Bei Symptomen lassen wir die Spielerinnen zu Hause, testen regelmäßig und entscheiden dann in Absprache mit der medizinischen Abteilung weiter.“
Beim Derby am Sonntag daheim gegen Türkiyemspor Berlin muss Poese weiterhin auf Celine Frank und Sophie Trojahn verzichten, der Einsatz von vier Spielerinnen ist fraglich. Hinzu kommt, dass viele neben dem Sport eine Ausbildung machen oder studieren und vor wenigen Wochen die Vorlesungszeit an den Unis begann. „Einige Spielerinnen mussten sich umstellen auf einen anderen Alltag, deshalb haben wir auch die Anfrage für das Vormittagstraining neu gestellt“, sagt Poese.
Die Stimmung im Team sei aber trotzdem richtig gut. „Es ist pure Vorfreude auf dieses Derby und der Konkurrenzkampf für die Startelf ist hoch. Auf unserem eigenen Platz zu spielen, liegt uns sowieso.“
Die Statistik ist auf Seite der Gegnerinnen
Für Union dürfte es das bislang wichtigste Spiel in der Regionalliga werden: Beide Teams sind noch ungeschlagen und dass Türkiyemspor auf Platz drei, hinter Tabellenführer Union und Viktoria Berlin, steht, liegt nur daran, dass sie ein Spiel weniger bestritten haben. „Türkiyemspor ist eine Mannschaft, die individuell gut besetzt ist und sich vermutlich nicht komplett aufs Verteidigen reduziert, sondern auch selbst Tore machen will.“
Die Kreuzbergerinnen seien eine Truppe, die zusammenhalte und aus ihrer familiären Atmosphäre viel Kraft ziehe. Auch die Statistik ist auf ihrer Seite: Bei allen drei Partien setzten sie sich zuletzt gegen Union durch und schmissen die Köpenickerinnen vor einem Jahr sogar aus dem Pokal.
Seither hat sich bei den Gastgeberinnen allerdings einiges verändert, auch strukturell, denn Union investiert seit dieser Saison verstärkt in die Frauenabteilung. Das spiegelt sich darin wider, dass alle Spielerinnen Vertragsspielerinnen sind und sowohl Poese als auch ihr Kollege Sven Gruel hauptamtlich als Trainer*innen tätig sind. „Ich fand die Idee von Anfang an interessant“, sagt Poese. Besonders gut gefalle ihr, dass es nicht als Projekt bezeichnet werde da ein Projekt meist nach ein paar Jahren ende.
„Ich finde es sinnvoll, erstmal die Basis mit der Hauptamtlichkeit zu erhöhen und dann zu schauen, welchen Bedarf es aus der Mannschaft gibt.“ Bisher gelinge die Kommunikation über Mannschaftsrat und Trainer*innen aus ihrer Sicht gut. „Wir sind schnell darauf gekommen, dass wir zum Beispiel mehrere Physiotherapeuten brauchen.“
Zusammenarbeit mit der U23 und U17
Trotzdem ist es ihr wichtig, dass die anderen Teams des Vereins nicht in Vergessenheit geraten. „Es geht nicht darum, die erste Frauenmannschaft zu protegieren und die anderen müssen irgendwie alleine klarkommen, sondern es geht um einen ganzheitlichen Ansatz, der beim Kinderfußball anfängt.“ Deshalb stehen sie und ihre Kolleg*innen im regelmäßigen Austausch mit der U23 und der U17, bei denen einige Spielerinnen aus dem ersten Team zudem regelmäßig im Einsatz sind.
Auch Poese wurde im Rahmen der neuen Fokussierung angeheuert. Zuvor war sie für den Deutschen-Fußball-Bund (DFB) als Match-Scout bei der Europameisterschaft tätig und analysierte dort die kommenden Gegner des Nationalteams. „Der große Vorteil war, dass ich immer gute Videos zur Verfügung hatte. Das ist in der Regionalliga nicht der Fall.“ Bei einigen Spielen hat Union deshalb jemanden vor Ort, der die Teams beobachtet.
Es geht nicht darum, die erste Frauenmannschaft zu protegieren und die anderen müssen irgendwie alleine klarkommen.
Ailien Poese
Poese hat den Eindruck, dass die Fußballerinnen seit der EM präsenter bei Fans und Fußballinteressierten sind. Das sei auch im kleineren Rahmen, in der Regionalliga, spürbar: Seit September trainieren die Unionerinnen in der Hämmerlingstraße, wo auch die Jugendteams trainieren. Dort gäbe es immer wieder Kinder und Jugendliche, die unbedingt die ersten Frauen sehen wollten, erzählt Poese. „Ich finde das toll, weil es so nahbar ist. Die Nähe zu den Fans ist eben doch eine andere als bei den männlichen Profis. Das ist ein großes Plus.“
Ein großes Plus ist für Poese auch die Rückkehr zu ihren fußballerischen Wurzeln. Sie war selbst über zehn Jahre lang als Spielerin bei Union aktiv und trainierte mehrere Teams, bevor sie 2013 zum Berliner Fußballverband wechselte. „Es ist schön wieder ein festes Zuhause zu haben. Das ist ganz anders als aus dem Koffer zu leben.“
Wie lang sie noch in ihrer Funktion als Trainerin bleibt, werde die Zeit zeigen. Aber sie hat „nicht vor, im nächsten Jahr die Zelte abzubauen“. Erst einmal will sie sowieso mit dem Team in die Zweite Liga aufsteigen, einen wichtigen Schritt könnten sie am Sonntag (14 Uhr) gehen.
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