Paris hat eine neue Kunstmesse: Eine andere Dynamik

Was so ein Namenswechsel bewirken kann. Gleicher Eingang, gleiche Erweiterung zum Eiffelturm, schmale Gänge. Dem Grundriss des provisorischen Grand Palais Éphémère, dem bis zum Abschluss der Renovierungsarbeiten im Grand Palais 2024 die Rolle des Provisoriums zufällt, musste sich nach der Pariser Messe Fiac auch ihr Verdränger Paris+ par Art Basel fügen. Der Schock war groß, als die Réunion des Musées Nationaux den Vertrag mit der wichtigsten Kunstmesse in Frankreich nicht verlängerte. Stattdessen bekam die MCH, die Muttergesellschaft der Art Basel, den Zuschlag. Eingefädelt hat den Coup der Chef der Réunion Chris Dercon. Dass er gerade bekannt gab, zur Fondation Cartier zu wechseln, macht die Sache noch bizarrer.

Mag das Erscheinungsbild an die Fiac erinnern, die Einlasspolitik zur Premiere war typisch Art Basel: vormittags die „First Choice“, ab 14 Uhr ein massives Gedränge der zweiten VIP-Welle. Nur eine Woche nach der Frieze London, deren Geschäfte prächtig liefen, macht der neue Satellit also Konkurrenz auf dem Kontinent. Und wen überrascht es, wieder gab es Anzeichen dafür, dass der Kunstmarkt, speziell der Gegenwartskunst und noch spezieller der Malerei, keine Krise kennt. Mithalten konnten bloß museumsreife Skulpturen von Duane Hanson oder Ron Mueck und möglichst spektakuläre Installationen. Videokunst, Konzeptkunst? Fehlanzeige. Politisches ebenso. Umso besser, wenn mindestens ein Drittel der Malerei weiblich und die Themen immerhin dezent postkolonial waren. Etwa bei Mariane Ibrahim aus Chicago. An ihrem Messestand findet man Stars wie Amoako Boafo oder die collagierten Gemälde von Clotilde Jiménez.

Aber seit wann ist Malerei eigentlich die Kunst der Stunde? Das Geld will in Sicherheit gebracht werden, vor der Inflation und Aktienstürzen. Begehrt sind deshalb sichere Werte, ein Francis Bacon für 22 Millionen US-Dollar etwa, notfalls etwas älter, ein Giorgio de Chirico für 4,5 Millionen US-Dollar – und das sind nur zwei von vielen Malereiklassikern am Stand von Acquavella aus New York. Das Label Art Basel positioniert Paris unter Premium-Sammlern, das merkte man an den aus den USA und Asien angereisten Käufern. Wer weint da noch der weniger hochkarätigen FIAC eine Träne nach? Immerhin tritt die Paris+ nicht allzu kolonial auf und legt Wert darauf, dass 30 Prozent der Teilnehmer ihre Galerie oder eine Dependance in Frankreich haben. Darunter Kamel Mennour: Sein Stand verbindet Camille Henrot, Anish Kapoor, Alicja Kwade und Ugo Rondinone, die parallel im Stadtraum und dem Petit Palais ausstellen. Nicht nur der Galerist vertraut auf das internationalere Netzwerk der Basler, auch Off-Messen wie Paris Internationale, AKAA und Asia Now tun es. Dabei machen die 156 teilnehmenden Galerien nur eine Handvoll weniger aus als bei der letzten FIAC. „Es gibt einen Pariser Moment, an dem die Art Basel teilhaben wollte“, meint Clément Delépine, Direktor der Messe. „Paris profitiert von einer neuen Dynamik.“ Nicht zuletzt der Brexit hat zweifellos die Karten des europäischen Marktes neu gemischt. Marc Payot, Präsident der Großgalerie Hauser & Wirth resümierte: „Für uns ist die Atmosphäre besonders inspirierend, während wir unsere neuen Pariser Räumlichkeiten für die Eröffnung im nächsten Jahr vorbereiten.“ Große Gemälde verkauften sich in den ersten Stunden, unter den neun Werken war „The Dream“ von George Condo (650.000 US-Dollar). Andere Platzhirsche teilten die gute Stimmung, darunter David Zwirner, der nach der Premiere zu Protokoll gab, seine Transaktionen beliefen sich auf elf Millionen Dollar – eine Summe, die für ihn während der Fiac nicht möglich war. Alle scheinen gerade in Paris zu sein.

Die meisten französischen Galerien trifft man im Zelt hinter der Haupthalle. Leider lässt hier mitunter die Qualität zu wünschen übrig. Und dann wären da noch die 16 aufstrebenden Galerien, die „Émergentes“ mit jungen Positionen. Eine von ihnen ist Marfa’, gegründet vor sieben Jahren von Joumana Asseily in Beirut. Sie zeigt die Installationskünstlerin Caline Aoun. In einem Land, in dem nichts von Dauer ist, verwundert es nicht, dass die 39-Jährige genau über dieses Thema nachdenkt. Gegen die beschleunigte Zeit setzt sie auf organische Dauer, etwa mit einem Springbrunnen, der mit cyanfarbener Druckertinte getränkt ist. Nebenan stehen Leinwände, die sie im Freien gelassen hat, die dem Lauf der Jahreszeiten und den dort abgelagerten Pflanzen ausgesetzt waren. Ein Manifest für die Entschleunigung und ein leiser Einwand gegen den besinnungslosen Tanz um das goldene Kalb.

Paris+ par Art Basel, Grand Palais Éphémère; bis 23.10., www.parisplus.artbasel.com

Zur Startseite