Der Streit um Deniz Yücel geht in die nächste Runde
Deniz Yücel hatte es vergangene Woche schon in einem Tweet angedeutet, dass es bei dem PEN-Streit um seine Äußerungen zum Krieg in der Ukraine auf der lit.cologne um „ganz andere Dinge“ geht. „Stubenreine Dackel kann fast jeder züchten – die Seele des Vereins ist der Knatsch“, zitierte er anschließend noch Kurt Tucholsky.
So kommt es jetzt nach den von Deniz Yücel zurückgewiesenen Rücktrittsforderungen vom vergangenen Wochenende durch seine Vorgänger Gert Heidenreich, Christoph Hein, Johano Strasser, Josef Haslinger und seine Vorgängerin Regula Venske, wie es kommen musste und wohl sollte: Es hat einen Abwahlantrag aus den Reihen der Schriftstellervereinigung gegeben dahingehend, dass das gesamte, erst im vergangenen Oktober gewählte Präsidium mit Yücel an der Spitze von dannen ziehen soll.
Darüber abgestimmt wird im Mai auf einer Mitgliederversammlung im thüringischen Gotha, und wie es von der PEN-Seite heißt, reicht eine einfache Mehrheit für den Antrag aus.
“Rüpelhafte Beleidigungen”
Der Grund des ganzen Zwistes sind tatsächlich nicht die Aussagen Yücels auf dem Podium in Köln, da er eine Flugverbotszone über der Ukraine und ein Eingreifen der NATO in den Konflikt für denkbar gehalten hatte
Nein, es geht vor allem, wie es das PEN-Mitglied Petra Reski in der „FAZ“ schon beschrieben hatte, um einen regen Mailverkehr innerhalb des Vereins, der inzwischen der Deutschen Presseagentur in Berlin vorliegt.
Dem zufolge ist im Abwahlantrag von „rüpelhaften Beleidigungen“, einer „Frontstellung“ von älteren und jüngeren Mitgliedern (genau, es ist Krieg), und auch von „Mobbingversuchen an zwei Mitgliedern des Vorstands“ die Rede. Desweiteren zeigen sich die Mitglieder, die den Abwahlantrag gestellt haben – zwei Dutzend sollen es sein –, erschreckt über den „Umgangsstil“ und beklagen eine „tiefgreifende, systemische Störung des Anstands und der Würde unserer Schriftstellervereinigung.“
Also ist der Konflikt vermutlich seit Beginn der Amtszeit von Yücel im Gange, und sicher spielen auch persönliche Animositäten eine Rolle. Womit man wieder beim Knatsch wäre.
Neudefinition von Frieden
Der 1973 im hessischen Flörsheim geborene „Welt“-Journalist und Ex-“Taz” ler ist sicher vieles, nur kein Diplomat, der mit seinen Meinungen aus taktischen oder strategischen Gründen hinter dem Berg hält. Als hätte der ehrwürdige und häufig auch ein bisschen schläfrige PEN nicht gewusst, wen er sich vergangenen Oktober an seine Spitze gewählt hat.
Der Riss geht anscheinend einmal quer durch den Verein mit seinen weit über zweihundert Mitgleidern, denn immer wieder ist in den vergangenen Tagen darauf hingewiesen worden, dass es natürlich auch „sehr viele Mitglieder“ gebe, die hinter Deniz Yücel stehen und auch mit den Aussagen von ihm zur Ukraine vorsichtig konform gehen.
Mit dem Einsatz für eine „einige Welt“ und „für eine in Frieden lebende Menschheit“ ist es eben so eine Sache in offensichtlichen Kriegszeiten; und noch mehr, wenn es schon im eigenen Haus keinen Frieden gibt. So dürfte der Streit im PEN Deutschland wohl noch einige Zeit und womöglich über den Mai hinaus schwelen.
Würde Deniz Yücel tatsächlich wieder abgewählt werden, wäre das nicht nur schade, sondern auch dem Ansehen des PENS und seinen Anliegen nicht wirklich förderlich.