Maximilian Hornung, Antonello Manacorda und das RSB: Anrufung der Geister
Atemlos und doch elegant, so fängt er an, die Tonlagen wild durchstreifend, ein gleichsam getriebener Virtuose, der sich im nächsten Moment jedoch auf ein Zwiegespräch mit der Flöte konzentriert und mühelos von beseelten Vibrati zu surreal fahlen Tönen wechselt. Der Cellist Maximilian Hornung nimmt das Publikum im Konzerthaus mit Camille Saint-Saëns’ Cello-Konzert Nr. 1 (1872) im Nu für sich ein, ebenso das Rundfunk Sinfonieorchester Berlin unter Leitung von Antonello Manacorda. Manacorda und Hornung, zwei Energetiker, die es haptisch und plastisch mögen, Temperament mit Transparenz paaren.
Im zweiten Satz wird gleichsam auf Zehenspitzen getanzt. Hornungs glutvolles Timbre geht mit duftigen Streicher-Staccati einher, eine feine, bezwingende Intensität. Der Solist, Jahrgang 1986, konzertiert zum ersten Mal mit dem RSB.
Ekstase und Intimität auch in Saint-Saëns’ 30 Jahre später entstandenem 2. Cello-Konzert d-Moll, mit ähnlich satten Klängen, aber unruhiger und noch virtuoser. Mahler klingt an, die Unruhe der Moderne breitet sich aus, der das Cello auch schlichte, gebetsartige Gesänge entgegensetzt.
Manacorda, Leiter der Kammerakademie Potsdam, war schon häufiger beim RSB zu Gast, das Orchester und der Dirigent verstehen sich blendend. Beide lieben das Zupackende und die Durchhörbarkeit, abgestufte Dynamiken, den kontrollierten Überschwang.
Das kommt Saint-Saëns’ frühem Sinfonischem Poem „Danse macabre“ zu Beginn des Programms zugute, eine bilderstarke Nachtmusik mit süffigem Walpurgisnacht-Spuk. Das knochige Xylophon, die Sechzehntel-Kapriolen der Streicher und die „Teufelsgeige“ des Konzertmeisters mit ihrer absichtlich um einen Halbton verstimmten E-Saite evozieren eine gespenstische Stimmung. Noch im größten Überschwang hält Manacorda die Zügel jedoch fest in der Hand.
Besonders schön die Befriedung am Ende der Nacht: der Weckruf der Oboe, ein kurzes melancholisches Aufseufzen der Solo-Geige – und die Geister huschen davon.
Die Lautmalereien von Jean Sibelius’ 5. Sinfonie Es-Dur (in der dreisätzigen Schlussfassung von 1919) evozieren wiederum Westernlandschaften mit majestätischen Bergketten und flirrender Prärie, vor allem im Finalsatz. Ein Vogelzug von 16 Schwänen hat Sibelius nach eigener Aussage zur Schwanen-Melodie der Trompete inspiriert. An diesem Abend dominiert das Wuchtige, die Neigung zu schrillen Tutti, harschen Dissonanzen und unaufhörlich repetierten, katastrophisch sich auftürmenden salonmusikalischen Floskeln.
Der Symphonie ist etwas Zwanghaftes zu eigen, welches Manacorda und das RSB dekonstruieren und diffundieren, um es alsbald wieder zu marmornen Klangsäulen zu verdichten. Eine Unerbittlichkeit, die Unbehagen auslöst, bis zu den sechs mörderischen, von langen Pausen zerschmetterten finalen Akkordschlägen.
Zur Startseite